1870 Eduard Lasker. Zollparlament. 187
Genüssen hat er nie gestrebt. Wie es bei allen unbedingten
Idealisten geschieht, rechnete er stets mehr auf die Einsicht
als auf die Leidenschaften der Menschen und verdunkelte sich
in seinem Enthusiasmus die für den Staatsmann entscheidende
Gabe, die Dinge und die Menschen so zu sehn wie sie sind,
und danach zu handeln. Immer aber ist schließlich zu sagen,
daß seine Schwächen untrennbar mit seiner Stärke zusammen-
hingen, mit dem sittlich reinen und edlen Kerne seiner Natur.
Die Specialdebatte des Strafgesetzes wurde am 8. April
1870 beendigt; zu der Schlußverhandlung gelangte man
erst nach der inzwischen am 21. eintretenden Session des
Zollparlaments.
Dieser war, von einigen Kleinigkeiten abgesehn, eine
äußerst einfache Aufgabe vorgelegt, eine veränderte und
hoffentlich verbesserte Auflage der zweimal abgelehnten Tarif-
reform, wieder eine lange Reihe aufzuhebender oder herab-
zusetzender Zölle und daneben, zur Deckung des hienach zu
erwartenden Ausfalls in der Zolleinnahme, eine Erhöhung,
dieses Mal nicht des unpopulären Steinölzolls, sondern des
Eingangszolls auf Kaffee, der eine halbe Million mehr Ein-
nahme bringen würde, als 1869 vom Olzolle erwartet wurde.
Anfangs zeigten sich die Aussichten wenig günstig. Die ver-
schiedenen Interessentengruppen, wie wir sie oben kennen
gelernt haben, bestanden fort und kreuzten ihre Gegenanträge.
Die Einen begehrten Erhaltung der Schutzzölle für Baum-
wollen-, die Andern für Eisenwaaren; dagegen stürmte eine
Gruppe für noch stärkere Herabsetzung der Eisenzölle, eine
andere erneuerte den Streit über den Reiszoll. Die Er-
höhung des Kaffeezolls blieb in der Minorität, so bestimmt
die Regierungen wieder ihre Annahme zur Bedingung der