188 Parlamentarische Kämpfe. Erfolge der Regierung. 1870
ganzen Tarifreform machten. Die süddeutsche Fraction rieb
sich die Hände: zum dritten Male wird es sich zeigen, daß
das Zollparlament eine stets unfruchtbare Einrichtung ist;
wir sind in der letzten Session der Legislaturperiode; da
wird man uns hoffentlich im nächsten Jahre mit Wahlen
für dies preußische Wesen verschonen.
Aber eben diese Haltung rief auf der andern Seite eine
kräftige Reaction hervor. Conservative und Nationalliberale
aller Gruppen vereinigten sich in der Erklärung, auf diese
Art dürfe der Ruhm des deutschen Namens nicht befleckt,
der nationale Gedanke nicht verdunkelt, die alte Zerrissenheit
des Vaterlands nicht erneuert werden. Der altliberale Herr
von Patow nahm die Sache in die Hand und brachte nach
mehrtägiger Verhandlung ein Compromiß aller Gruppen mit
Ausnahme der süddeutschen Fraction und der „deutschen“
Fortschrittspartei zu Stande. Die Schutzzöllner wurden durch
die Erhaltung der höhern Zölle auf Baumwollenwaaren, die
Freihändler durch weitere Herabsetzung der Zölle auf Reis
und auf Roheisen gewonnen, den Regierungen wurde der
erhöhte Kaffeezoll, und damit eine allerdings geringe Mehr-
einnahme zugestanden. So wurde am 6. Mai mit 186
gegen 84 Stimmen beschlossen, und damit ein glücklicher
Ausgang des Zollparlaments herbeigeführt.
Am 9. Mai nahm dann der Reichstag seine Arbeiten
wieder auf. Es wurde ihm sofort ein Gesetzentwurf zur
Heilung eines alten Schadens, der Aufhebung der Elbzölle
vorgelegt und bald durch Annahme erledigt. Am 13. wurde
auf Commissionsbericht das Gesetz über litterarisches Eigen-
thum genehmigt. Auf einen damals eingereichten Gesetz-
entwurf über Unterstützung der St. Gotthard-Eisenbahn komme