204 Eindringen klerikaler Tendenzen in die franz. Regierung. 1870
Bismarck, der zwar für jetzt die Aufnahme zurückgewiesen, die
Vollendung aber der deutschen Einheit wieder einmal als das
Ideal der Zukunft anerkannt hatte. Bei der ersten Gelegen-
heit also wird er über den Prager Frieden hinwegschreiten,
sagte man in Paris, und die Arkadier, welche eben jetzt in
Ollivier's Verzicht auf die Beeinflussung der Wahlen eine
neue schwere Erschütterung des Kaiserreichs sahn, drängten
am Hofe, im Heere, in der Presse mit gesteigertem Eifer,
den in Berlin hingeworfenen Handschuh aufzunehmen, und
das gesunkene Ansehn der Dynastie durch einen glänzenden
Krieg wieder herzustellen. Damals hatte der Erzherzog
Albrecht von Osterreich eine Reise in den französischen Süden
gemacht, und hielt sich auf der Rückfahrt einige Wochen in
Paris auf.1) Er fand bei den Officieren eine höchst sym-
pathische Aufnahme, und konnte alle militärischen Einrichtungen
und Hülfsquellen Frankreichs gründlich studiren. Eines Tags
sagte er dem Kaiser: die Lage scheint wieder gespannter zu
werden, als könnte für unsere beiden Staaten der Friede
bedroht sein: wäre es nicht zweckmäßig, über die gemeinsamen
Vorkehrungen zu berathen? Napoleon hatte keine Lust die
politische Frage zu behandeln, in welchen Fällen ihm der
Krieg nothwendig erscheinen möchte, und sprang sogleich zu
dem militärischen Thema über: wenn wir Krieg führen müßten,
welche Operationen würden Sie vorschlagen? Der Erzherzog
scizzirte darauf einen Feldzugsplan: das französische Haupt-
heer würde in raschem Zuge von Straßburg auf Stuttgart
rücken, ein italienisches Heer von 100 000 Mann auf München
vorgehen, ein österreichischer Heertheil aus Böhmen in Bayern
1) Neben den Erklärungen des Prinzen Napoleon und der Generale
Lebrun und Jarras benutze ich hier ungedruckte Memoiren.