1868 Debatte über Minister-Verantwortlichkeit. 13
Volksrechts zu erheben habe. So möge also der Antrag,
wenn auch zunächst auf beschränktem Gebiete, das wichtigste
aller- Freiheitsrechte aus dem papiernen Dasein in das wirk-
liche Leben hinüberführen.
Die Gegner bestritten die ganze Erörterung von Grund
aus. Nicht bloß habe der constituirende Reichstag eine
juristische, gerichtlich verfolgbare Verantwortlichkeit des Bundes-
kanzlers nicht beschlossen, sondern er habe im Gegentheil
einen darauf gerichteten Antrag (Verheißung eines Gesetzes
über Verfahren und Forum eines solchen Processes) aus-
drücklich abgelehnt. Ganz irrig sei die Vorstelkung, daß
die bloß moralische Verantwortlichkeit nur ein historisches
Urtheil"begründe; sie könne, trotz des Fehlens eines gericht-
lichen Verfahrens, politische und parlamentarische Folgen von
großer Wichtigkeit haben, gerade in dem jetzigen Zustande,
wo die Competenz der höchsten Bundes= und Landesbehörden
so wenig bestimmt sei. Unläugbar sei dann die weitere That-
sache, daß, mochte man fürk die Zukunft ein Klagerecht des
Reichstags noch so zweckmäßig erachten, die Verfassung zwar
dem Reichstag jährliche Rechnung Wer den ganzen Bundes-
haushalt zur. Entlastung einzureichen vexfüge, keineswegs aber
ihm deshalb auch ein Klagerecht zu gerichtlicher Verfolgung
etwaiger Gesetzwidrigkeiten beilege. Offenbar begehre also
der Antrag Migquel nicht bloß eine specielle Consequenz aus
den in der Verfassung anerkannten Principien: er fordere in
der That eine tiefgreifende Anderung der Verfassung, eine
Machterweiterung des Reichstags von kaum absehbarem Um-
fang. Mit der gewohnten drastischen Kraft der Rede trat
Bismarck in den Kampf ein. Sie wollen, sagte er, bei
streitiger Auslegung eines Gesetzes den Bunde kanzler unter