Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

220 Eindringen klerikaler Tendenzen in die franz. Regierung. 1870 
galt doch zweifellos die alte, und diese legte ja die Behandlung 
von Verfassungsfragen ausschließlich in die Hand des Kaisers 
und des Senats. Indessen erhob auch das linke Centrum 
über eine solche Ausschließung der Volkskammer bei einer 
Verfassungsfrage so nachdrückliche Beschwerde, daß Ollivier 
sich beim Kaiser die Erlaubniß erwirkte, wenigstens auf eine 
Interpellation der Linken darüber Antwort zu ertheilen, wo- 
durch dann die Schleusen des Redestroms am 4. und 5. April 
eröffnet wurden. Am Schlusse der lebhaften Verhandlung 
standen drei Tagesordnungen zur Abstimmung, eine der 
Linken, mit einfacher Ablehnung des Senatentwurfs als 
im Widerspruch mit den Grundsätzen von 1789 stehend, 
eine zweite des linken Centrums, unter Anerkennung der im 
Entwurfe beantragten Fortschritte, zu welchen jedoch noch der 
Zusatz kommen müsse, daß künftig kein Plebiscit dem Volke 
zur Abstimmung vorgelegt werden dürfe, ehe sein Text durch 
beide Kammern geprüft und angenommen worden sei, eine 
dritte des rechten Centrums mit unbedingtem Vertrauens- 
votum für die Regierung. Nachdem die beiden ersten ver- 
worfen waren, stimmte auch das linke Centrum für die dritte, 
welche dadurch mit 225 Stimmen gegen 34 der Linken zur 
Annahme gelangte. Der Sieg des Ministeriums war damit 
entschieden; es stand fest, daß weitere Verhandlungen über 
die große Frage im gesetzgebenden Körper nicht Statt finden 
könnten, und am 13. April veranlaßte Ollivier einen Beschluß 
der Kammer, sich während des Verlaufs des Plebiscits zu 
vertagen, da die Abgeordneten den Wunsch hätten, bei dem 
großen Kampfe sich in der Mitte ihrer Wähler zu befinden. 
Damit aber entschied sich auch eine Krisis des Mini- 
steriums. Während der thatsächliche leitende Minister Ollivier
	        
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