222 Eindringen klerikaler Tendenzen in die franz. Regierung. 1870
die umfassendste Kriegserklärung gegen den ganzen Bestand
des Kaiserthums in das Land hinaus warf und zu siegreicher
Entscheidung dieses Kampfes durch die Verneinung des
Plebiscits aufforderte. Der 2. December, hieß es dort, hat
das französische Volk unter das Joch eines Menschen ge-
beugt; in den Wahlen von 1869 hat das Volk den Sturz
dieser persönlichen Regierung und an ihrer Stelle die Re-
gierung des Landes durch das Land begehrt. Jetzt will
man Euch glauben machen, der Senatsbeschluß erschaffe diese
Regierung, und Ihr sollt dies durch Zustimmung zum
Plebiscit anerkennen: Ihr werdet das weigern, denn Ihr
wißt, daß der Beschluß ein Trugbild ist. Ihr erinnert Euch,
daß alles Elend und alle Schande, die ein achtzehnjähriger
Despotismus über Euch gebracht hat, aus zwei Plebisciten
entsprungen sind. Ihr werdet einer dritten Täuschung nicht
zustimmen, sondern Euch sagen, daß nur in einer freien
Demokratie die Freihcit des Volks und die nationale
Souveränität bestehn kann.
Deutlicher ließ es sich nicht aussprechen: das Nein beim
Plebiscit bedeutet die Erklärung der Repullik.
Die Antwort blieb nicht lange aus.
Am 23. April formulirte ein kaiserliches Decret den dem
Volke vorzulegenden Inhalt des Plebiscits dahin:
Das französische Volk billigt die in der Verfassung seit
1860 durch den Kaiser unter Mitwirkung der großen
Staatskörper bewirkten liberalen Reformen und genehmigt
den Senatsbeschluß vom 20. April 1870.
Zugleich erschien eine kaiserliche Proclamation an das
Volk, die, nach einem Rückblick auf die Herstellung des Kaiser-
thums durch den Willen des Volks, in den Sätzen gipfelte: