224 Eindringen klerikaler Tendenzen in die franz. Regierung. 1870
Abend die Abstimmung Statt gefunden hatte, zeigte sich, wie
richtig die Schätzung Daru's und Rouher's gewesen war.
Bejaht hatten den Satz des Plebiscits weit über sieben
Millionen, verneint eine und eine halbe Million Stimmen,
also cine überwältigende Majorität hatte sich für die neue
Verfassung und damit für die erbliche Monarchie ergeben.
Mochte man nun noch so viel über den zudringlichen Ein-
fluß der Präfecten, der Richter, der, übrigens auch hier
getheilten, Geistlichkeit reden, eine so mächtige Mehrheit ließ
sich nicht künstlich fabrieiren, wenn nicht ein starker Strom
der öffentlichen Meinung die Volksmassen zu ihr hintrieb.
Man konnte an der achtzehnjährigen Verwaltung Napo-
leon's III. sehr Vieles aussetzen, aber mit dem Ergebnisse
des Plebiscites war der Beweis für ihre jetzige Popularität
mit unwiderstehlicher Wucht geliefert.
Die Gegner betonten, daß in der Armee von 300000
Mann etwas über 40000 mit Nein gestimmt hatten, was
wieder einmal die Regel bestätigte, daß überhaupt die be-
waffnete Macht nicht zu stimmen, sondern zu gehorchen hat.
Ebenso wurde hervorgehoben, daß in der Mehrzahl der
größeren Städte, die man doch in höherem Maaße als die
Dörfer für Mittelpunkte der Bildung gelten lassen müßte,
das lbergewicht auf der Seite der Verneinung gewesen war.
Allein trotz dieser Kritiken war der factische Eindruck des
Ereignisses bei Freund und Feind gewaltig. Man hielt das
bonapartistische Kaiserthum auf neue zwanzig Jahre für un-
widerruflich befestigt. In der Kammer und in der Presse
war der vordringende Ungestüm der Opposition gebrochen.
Die Linke hatte sich während der großen Agitation gegen
das Plebiscit gespalten, in eine geschlossene und eine offene