Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

226 Eindringen klerikaler Tendenzen in die franz. Regierung. 1870 
Theilnahme an der Berathung des Dreibunds, also der Vor- 
bereitung für einen Kriegsfall, wegen seiner Unbrauchbarkeit 
ausgeschlossen hatte. Wenn aber Napoleon den Frieden mit 
Preußen erhalten wollte, so wäre Gramont's Beförderung 
noch unverständlicher, denn weltkundig war sowohl der 
Preußenhaß als die Unbedachtsamkeit des Herzogs. So muß 
man wohl annehmen, daß Napoleon als constitutioneller 
Monarch ihn sich gefallen ließ, in der Meinung, ein so 
geistesarmer Herr würde ein leicht zu lenkender Minister 
sein — wobei danm freilich die Wahrheit vergessen worden 
wäre, daß beschränkte Köpfe zuweilen auch harte und hitzige 
Köpfe gewesen und mit diesen Eigenschaften die unentschlossene 
Weisheit mit sich fortgerissen haben. Genug aber, wer hat 
den Kaiser zu der Ernennung Gramont's bestimmt? 
Ausdrückliche Angaben darüber liegen mir nicht vor, 
jedoch können folgende Thatsachen die Frage in etwas erläutern. 
Nach Daru's Abgang am 14. April hatte, wie gesagt, 
Ollivier die auswärtigen Angelegenheiten interimistisch über- 
nommen. Mit sichtbarem Hochgefühl erzählt er selbst, es 
sei sofort ein Telegramm in den Vatican gegangen: Daru 
entlassen, Ollivier ersetzt ihn, das Concil ist frei. Gleich 
nachher verzichtete Ollivier auf die Vorlage der französischen 
Denkschrift an das Concil, und wies etwas später Herrn 
von Banneville an, weder mit dem Papste noch mit Antonelli 
sich in irgend ein Gespräch über das Concil einzulassen. 
Zugleich blieb es aber dabei, daß die französische Besatzung 
nicht abberufen, und daß der Kirchenstaat jedenfalls gegen 
die Italiener geschützt werde. Damit war der Papst und 
die Mehrheit des Concils gegen jede Störung geschützt, und 
die Verkündung der päpstlichen Unfehlbarkeit über alle Zweifel
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.