1870 Der Herzog von Gramont. 227
hinaus gehoben. Neben der römischen Sache hatte Ollivier
sodann in den Acten des auswärtigen Amts sich im All-
gemeinen über die letzte Vergangenheit unterrichtet, und es
später ausgesprochen, daß bei der Lectüre der Verhandlungen
über Luxemburg und den Prager Frieden Bismarck's ab-
sprechender Hochmuth und die feige Schwäche der französischen
Minister sein patriotisches Gefühl im Innersten empört hätten.
Er habe sich gelobt, gewiß nicht aus verletzter Empfindlichkeit
einen Krieg herauf zu beschwören, wohl aber bei aller Friedens-
liebe und deutschen Sympathien diplomatische Verhandlungen
mit Preußen in anderem Tone und mit anderem Erfolge zu
führen, als die Herrn von Moustier und von Lavalette es
sich hätten gefallen lassen.
Er wird sich also an Daru's Stelle einen Collegen ge-
wünscht haben, der das Concil und den Kirchenstaat zu be-
schirmen und eine Verhandlung mit Preußen in ausreichender
Festigkeit und Uberlegenheit durchzuführen gesonnen sei.
Wären diese Eigenschaften vorhanden, so würde es auf etwas
mehr oder weniger Talent. und Kenntnisse kaum ankommen,
da in dieser Hinsicht der leitende Minister aus seinem Über-
schuß den Mängeln des auswärtigen Collegen stets abzuhelfen
bereit wäre. Bei solchen Auffassungen wäre dann allerdings
Gramont für Ollivier der gefundene Mann gewesen. Denn
klerikal war jener durch und durch, und schwerlich gab es
damals einen Menschen in Europa, der mit heißerer Freude
auf Preußen, und vor Allem auf Bismarck losgeschlagen
hätte. Die mächtigen Erfolge des großen deutschen Staats-
mannes nach ihren Gründen und Mitteln zu würdigen, lag
bei Gramont außerhalb seines Verständnisses; er begriff sie
nur als Triumphe eines gelungenen Hinwegschreitens über
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