Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

14 Beginn des Reichstags. 1868 
den Kreisrichter stellen; dann kann der Kanzler seine Hand- 
lungen nur durch fortgesetzten Verkehr mit dem Kreisrichter 
sichern, indem er ihn täglich als constitutionellen Hausarzt 
consultirt; es wäre statt dessen vielleicht zu empfehlen, den 
Kreisrichter sogleich selbst zum Minister zu machen, nur 
würden Sie ihm dann schwerlich die Rechtsprechung weiter 
anvertrauen. Er hob daraus hervor, wie verkehrt es wäre, 
zwei Farkoren der Gesetzgebung, also der höchsten souveränen 
Gewalt, bei einem entstehenden Zwiste unter die Entscheidung 
eines Civilrichters zu stellen, der im Pandektenrechte ohne 
Zweifel trefflich bewandert sei, leider aber jeder sachverstän- 
digen Kenntnis derjenigen Thatsachen entbehre, von deren 
Würdigung das Schlußurtheil abhängen müsse. Um die 
Nothwendigkeit einer wirksamen, mit Klagerecht versehenen 
Controle zu erhärten, habe ein Redner darin erinnert, daß 
wir beim Ausbruch des letzten Kriegs eigenmächtig 22 Mil- 
lionen Darlehenskassenscheine emittirt haben: nun, hätten wir 
zu diesem Entschlusse, den der Kreisrichter vielleicht verurtheilt 
hätte, nicht den Muth gehabt, so ständen Sie heute unter 
den Ordonnanzen des durchlauchtigsten alten Bundestags, 
und Preußen wäre um einige Provinzen ärmer. Statt uns 
zu tadeln, sollten Sie uns danken. Noch schlimmer aber sei 
die im Antrag Miquel an der Spitze stehende Forderung, 
das Klagerecht des Reichstags unmittelbar gegen untergeordnete 
Beamte zu richten. Das damit in unsern Rechtszustand ein- 
geführte Princip würde rasch um sich greifen und sofort die 
Auflösung aller Disciplin und die Mißachtung jeder vor- 
gesetzten Behörde zur Folge haben. Der auf diese Art ver- 
antwortlich gemachte Beamte würde sich zur Kritik jeder an 
ihn gelangenden Weisung seines Vorgesetzten befugt erachten,
	        
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