Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

232 Eindringen klerikaler Tendenzen in die franz. Regierung. 1870 
schweigend in seinem Schranke, wie die Reden des Prinzen 
in seinem Gedächtniß bewahrt. Als am 15. Mai Gramont 
Minister wurde, und für den Augenblick Ollivier das Aus- 
wärtige verwaltete, hoffte der Kaiser wie bisher den Krieg 
zu vermeiden, da zur Zeit in Deutschland wie in Italien 
nicht das geringste Symptom einer offensiven Politik sicht- 
bar wurde; immer aber hielt er seit 1866 den Frieden in 
jedem Augenblicke für unsicher und erwog, wie er für den 
Fall einer Verwicklung seine Streitmittel stärken könnte. Er 
wußte natürlich, daß er kein förmliches Bündniß mit irgend 
einer Macht besaß; er hegte aber nach den vorigjährigen Ver- 
handlungen die Hoffnung auf ein williges Entgegenkommen 
sowohl Osterreichs als Italiens, wenn Frankreich zu einem 
großen Kampfe gezwungen würde. Zunächst übergab er am 
19. Mai den Feldzugsplan des Erzherzogs einer Gruppe 
höherer Officiere zur Prüfung. Die Herrn arbeiteten diese 
Aufgabe gründlich durch und kamen zu dem Ergebniß, da 
die Mobilmachung der Österreicher mindestens sechs Wochen, 
die der Italiener noch längere Zeit in Anspruch nehme, so 
sei es unrathsam, auf so lange die französische Hauptarmee 
vereinzelt in eine weite Ferne wegzugeben. 1) Es wurde 
darauf ein Gegenvorschlag ausgearbeitet, und ein dem Kaiser 
persönlich vertrauter Officier, General Lebrun, am 6. Juni 
in einer Privatmission, ohne allen politischen Charakter, nach 
Wien geschickt, um mit dem Erzherzog die Sache zu be- 
sprechen. Aber auch hier kam man zu keinem bestimmten 
Ergebniß; der Erzherzog lehnte den französischen Plan ab 
und verständigte sich über einen dritten so weit mit Lebrun, 
1) Souwvenirs du général Jarras p. 47 ff. Mission du général 
Lebrun, im Figaro 19. Januar 1887. «
	        
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