254 Die Candidatur Hohenzollern. 1870
kriegerische Aufwallung Napoleon's gegen die Candidatur des
Prinzen (offenbar nach des Kaisers Verhalten bei der rumäni-
schen Fürstenwahl und bei seinem Schweigen auf die im
September erhaltene Mittheilung aus Weinburg). Bei der
Erwägung der Candidatur wurde die Frage, ob Frankreich
Widerspruch erheben und wie man sich bei einem solchen ver-
halten würde, gar nicht erwähnt. Bismarck war überzeugt,
daß es bei dem Widerwillen Napoleon's gegen Montpensier
und bei den zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Karl
Anton bestehenden Beziehungen dem Prinzen sehr leicht ge-
lingen würde, gleich nach seiner Wahl Napoleon in Paris
zu sprechen und sich mit ihm in bester Freundschaft zu ver-
ständigen, was möglich wäre, wenn der Prinz, seiner Stellung
gemäß, ganz als Spanier aufträte und seine deutsche Her-
kunft vergäße. ) Dies einmal vorausgesetzt, konnte Bismarck
ohne Mühe mannichfaltige, freilich nicht sehr erhebliche Vor-
theile entwickeln, die bei der Gleichheit der beiderseitigen
Interessen für Preußen aus der Herrschaft eines ihm be-
freundeten Fürsten in Madrid erwachsen würden. Auch war
er der Meinung, daß zwar zu Anfang 1869, wo noch die
Wogen der revolutionären Aufregung in Spanien hochgingen,
die Annahme der Candidatur eine wahnsinnige That gewesen
wäre, daß jetzt aber, nach Niederwerfung der beiden Auf-
1) Nach der Schlacht von Sedan ritt im Dunkel der Nacht Bis-
marck mit einem preußischen General nach seinem Quartier. Die Rede
kam auf den Ursprung des Kriegs, und Bismarck erzählte die Ver-
handlung über die Candidatur. Dabei gebrauchte er den Ausdruck,
der Prinz hätte Spanier werden und seine deutsche Herkunft vergessen
müssen. Er hatte nicht bemerkt, daß der Prinz und einige Offiziere
dicht hinter ihm ritten; der Prinz aber rief: „Da muß ich doch bitten;
Spanier wäre ich schon geworden, hätte aber nie vergessen, daß ich
ein Deutscher bin.“