Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

1870 Entrüstung Gramont's über die Candidatur. 267 
achten. Warum dies? Hatte man nach der zweimaligen Ab- 
lehnung die Annahme der Krone ohne vorherige Zustimmung 
Napoleon's für unmöglich gehalten, und sich deshalb eine 
unangenehme und überflüssige Verhandlung mit Spanien 
ersparen wollen? Oder war Gramont im Stillen anderer 
Gesinnung als Napoleon, und wünschte die Wahl eben des- 
halb zuzulassen, weil das französische Volk sie nicht ertragen, 
weil sie ein Mittel sein würde, die Massen aus ihrer trägen 
Friedensliebe emporzureißen? Wer will es entscheiden? 
Sicher ist es, daß in demselben Moment, in welchem 
die Nachricht einlief, seine Auffassung derselben fest stand. 
Die Candidatur war selbstverständlich eine preußische Er- 
findung, eine weither angelegte Intrigue Bismarck's zur 
Herstellung des Weltreichs Kaiser Karl'“s V. Der Mangel 
jegliches Beweises kam Gramont schwerlich zum Bewußtsein; 
seine erregte Phantasie erzählte ihm die wildesten Geschichten, 
die ihm sogleich nach ihrer Erfindung bei der Schwäche seines 
kritischen Urtheils als wirklich erlebte Thatsachen erschienen. 
Man fühlte, schrieb er in einer seiner Circulardepeschen, 
daß es sich hier nicht um einen Willensact der ritterlichen 
spanischen Nation, sondern um ein Treiben der serupellosen 
Berliner Politik handelte. In diesem so vorausgesetzten 
preußischen Plane, einen preußischen Prinzen auf den spanischen 
Thron zu erheben, sah er dann einen Eingriff in Frankreichs 
Lebensinteressen, eine Bedrohung seiner hundertjährigen Macht- 
stellung, und damit eine blutige Verletzung der nationalen 
Würde und Ehre, wofür Preußen eine volle und öffentliche 
Genugthuung zu leisten habe. Ich will nicht sagen, daß 
Gramont schon jetzt entschlossen gewesen wäre, den Krieg mit 
Preußen auf alle Fälle unvermeidlich zu machen. Zunächst
	        
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