276 Der Verzicht des Prinzen von Hohenzollern. 1870
Thiers, damals mit Ollivier auf vertrautem Fuße, ver-
sichert:), Ollivier war entschieden für den Frieden, und auch
der Kaiser dazu geneigt. Er soll in jener Zeit an Willens-
kraft verloren haben, und überhaupt war er unsicher in seinen
Ansichten und zauderte lange vor jedem Beschlusse.
Noch entscheidender jedoch ist das Zeugniß des Kriegs-
ministers Leboeuf vor der Untersuchungscommission. Was hätte
diesem unseligen Manne und ebenso seinen Hörern Ende 1871
erwünschter sein können, als der Nachweis, daß der gefallene
Kaiser der Urheber des verhängnißvollen Kriegs gewesen?
Leboeuf aber sagt aus:): „Die Meinungen im Minister-
rath über den Entwurf der Erklärung waren getheilt; mehrere
Mitglieder, mit dem Inhalt sonst einverstanden, fanden die
Form zu scharf. Es sei mir erlaubt, zu sagen, daß auch
der Kaiser dieser Meinung war. Man milderte also die
Ausdrücke. Aber bei unserer Ankunft in der Kammer fanden
wir unter den Abgeordneten eine große Aufregung und ein
überreiztes patriotisches Gefühl. Wir ließen uns fortreißen,
und die ursprüngliche oder doch eine sich annähernde Redaction
wurde von der Rednerbühne verlesen. Ob man (Gramont)
die beiden Texte mitgebracht hatte, oder ob die Milderungen
zwischen die Zeilen des ursprünglichen eingetragen waren,
weiß ich nicht; auch erinnere ich mich nicht mehr, ob einige
der gemilderten Stellen zur Vorlesung gekommen sind. Wir
adoptirten eine Redaction, welche man würdiger und der
öffentlichen Stimmung entsprechender fand.“
Leboeuf bezeugt also nicht bloß die Friedensliebe des
Kaisers, sondern auch ein eigenmächtiges Verfahren Gramont's,
1) Dépositions 1.8.
„:) Dépositions I, 46.