1870 Sendung Benedetti's nach Ems. 285
ihm vom Könige nachträglich, ohne Zuziehung eines Ministers,
ertheilte Antwort die preußische Regierung verantwortlich sei.
Von all diesen aus der Luft gegriffenen Vorstellungen war
das gerade Gegentheil wahr. Indessen angenommen einmal,
das Alles wäre ebenso richtig gewesen wie es falsch war:
was wäre daraus zu folgern? Jede Macht ist ohne Zweifel
in ihrem Rechte, wenn sie sich einem Vorhaben widersetzt,
welches nach ihrer Überzeugung wichtige nationale Interessen
zu verletzen droht. Im vorliegenden Falle wird allerdings
jeder Unbefangene die hier von Frankreich befürchtete Ge-
fahr für höchst übertrieben, die Erinnerung an die Weltmacht
Karl's V. gegenüber den damaligen Zuständen Spaniens für
beinahe komisch halten: jedoch jede Nation darf behaupten,
daß sie ihre Interessen und deren Schädigung besser als die
Andern zu beurtheilen wisse, und niemand könnte gegen
Frankreich einen Vorwurf erheben, hätte es auch hier seine
Interessen durch Beseitigung der Candidatur in angemessener
Weise zu decken gesucht. Der Erfolg wäre ihr, wie wir schon
bemerkt haben, und wie der weitere Verlauf zeigen wird,
sicher gewesen. Aber was Gramont's Verhalten für immer
mit dem Stempel der Gehässigkeit brandmarkt und ihn für
alles folgende Unheil verantwortlich macht, ist der durch
bittern Haß angeschwollene Hochmuth, mit dem er die Auf-
stellung der Candidatur für eine Beleidigung der Ehre und
Würde Frankreichs erklärt, dafür nicht bloß von dem Prinzen
den Verzicht, sondern von dem preußischen Könige Genug-
thuung und Widerruf fordert, und eine solche Demüthigung
dem mächtigen Sieger von Königgrätz zuzumuthen wagt.
Und während er stets von seiner Achtung vor der Souveränität
der spanischen Nation redet, ist ihm niemals ein Gedanke