20 Das Zollparlament. 1868
Am 1. Mai berichtete eine Abtheilung des Hauses über
die Prüfung bayerischer Wahlen. Sie stellte fest, daß das
bayerische für das Zollparlament erlassene Wahlgesetz nicht
überall den Bestimmnägen des Vereins-Vertrags vom 8. Juli
entspreche, fand darin aber keinen Grund, bei der allgemeinen
Theilnahme an den Wahlen und ihren meist überwältigenden
Mehrheiten die Gültigkeit derselben anzufechten oder sonstige
Anträge zu stellen. Hier aber zeigte sich die oben erwähme
gereizte Stimmung der nationalliberalen Partei. Miquel
begehrte eine Aufforderung des Hauses an den Vorsitzenden
des Zollbundesraths, durch Vernehmen mit der bayerischen
Regierung die Verhütumg solcher Differenzen für die Zukunft
zu bewirken. Vergebens bemühten sich bayerische Abgeordnete
beider Farben, die Geringfügigkeit und praktische Bedeutungs-
losigkeit der Beschwerdepunkte nachzuweisen; alle liberalen
Fractionen unterstützten Miquel's Antrag und gewannen ihm
die Mehrheit. Ubrigens hatte die Verhandlung, als eine
objective Erörterung zweifelhafter Gesetzauslegung, sich überall
in Ruhe und Mäßigung verlaufen.
Am folgenden Tage aber, dem 2. Mai, kamen die
Württemberger Wahlen an die Reihe, und hier erfolgte eine
heftige Entladung der gegenseitigen Verstimmung. Die Ab-
theilung fand hier wie in Bayern Bedenken gegen das für
die Parlamentswahlen gegebene Wahlgesetz und noch mehr
gegen die vom Ministerium dazu erlassenen Ausführungs-
Verordnungen, wollte jedoch auch hier die Wahlen nicht im
Ganzen cassiren, wohl aber eine Aufforderung des Hauses
an Bismarck veranlassen, in Stuttgart wie in München für
die Abstellung solcher Ubelstände zu wirken. Der Minister
von Mittnacht suchte dagegen die Übereinstimmung des