1870 Contrast zwischen Napoleon's und Gramont's Verhalten. 291
gehn, nach dem Wunsche, kein Mittel zur Erhaltung des
Friedens unversucht zu lassen. Aber es war ein Irrthum.
Die Candidatur war nicht ohne Mitwirkung des Königs
aufgestellt worden; sie war eine preußische, und als solche
stieß Frankreich sie zurück. Der König hatte sie aufgestellt,
nur an den König durfte Benedetti sich wenden. In diesem
Sinne erbat ich mir am 9. Juli die Befehle des Kaisers.“
Er sagt uns nicht, welche Erörterungen er damals dem
Kaiser vorgetragen hat. Das Ergebniß war, daß er am
Nachmittag des 9. Juli an Benedetti telegraphiren durfte:
Ihr sollt mit dem Prinzen Leopold nicht verhandeln; der
Kaiser will keinen Schritt bei ihm thun. In Gramont's
Sinne blieb es also bei der Instruction vom 7. Juli, von
dem Könige einen Befehl zum Rücktritt des Prinzen, und
damit einen Widerruf der eigenen Billigung der Candidatur
zu fordern!). Aber anderer Meinung war Napoleon. Ob
Benedetti mit dem Prinzen redete oder nicht, war ihm gleich-
gültig. Es gab noch andere Mittel zum Rücktritt des Prinzen
und damit, wie er meinte, zur Erhaltung des Friedens. So
eben hatte er ein Berliner Telegramm der Agentur Havas
empfangen?:), mit der Meldung: der König von Preußen, der
übrigens nicht der Chef des Fürstlichen Hauses Hohenzollern
ists), hatte vorher dem Prinzen Leopold die Annahme des
spanischen Thrones widerrathen; seitdem ist er nicht von
Neuem über das Project befragt worden. Napoleon ersah
1) France et Prusse p. 67.
2) Abgedruckt in deutscher Übersetzung bei Hirth, Tagebuch 1, 194,
gefunden durch preußische Truppen unter den in St. Cloud zurück-
gelassenen Papieren Napoleon's.
*) Es hätte heißen müssen: der als Familienhaupt kein Recht
hatte, dem Prinzen in der spanischen Sache etwas zu befehlen.
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