Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

1870 Erste Audienz Benedetti's bei König Wilhelm. 295 
und beschloß also, fest in der Sache, in der Form ein 
milderes Verfahren. Früh am Morgen des 9. Juli erschien 
Werther bei Benedetti und erklärte ihm, der König habe dem 
Prinzen die Annahme der Candidatur nicht verbieten können 
und werde also schwerlich die Entsagung befehlen oder an- 
rathen. Dies stimmte die Hoffnung Benedetti's auf das Ge- 
lingen seiner Sendung freilich herab, jedoch stieg sie wieder, 
als der König ihm die erbetene Audienz gnädig bewilligte. 
Allerdings empfing ihn der König mit scharfer Beschwerde 
über Gramont's Rede, die eine Verläumdung der preußischen 
Politik, ja eine entschiedene Herausforderung enthalte. 
Benedetti, der von Herzen den Frieden zu bewahren wünschte, 
that was er konnte, diesen Eindruck abzuschwächen und als 
einzigen Zweck der Rede die Beschwichtigung der in der 
Kammer herrschenden Aufregung darzustellen. In gleichem 
Sinne legte er dem Könige seinen Auftrag in der höflichsten 
Form vor, als einen Wunsch, daß der König dem Prinzen 
den Rücktritt von der so bedenklich gewordenen Candidatur 
anrathen möge. Der König stellte ihm die uns bekannten 
Thatsachen entgegen; vor Allem betonte er, daß er in der 
Sache nie als Souverän, sondern nur als Familienhaupt 
gehandelt habe, seine Regierung also der Angelegenheit fremd 
geblieben sei; als einmal ein Agent Prim's ihm ein Privat- 
schreiben des Marschalls habe überreichen sollen, habe er ihn 
nicht empfangen, und die Sache nicht mit dem Staats- 
ministerium, sondern nur mit den Hohenzollern'schen Prinzen 
ermogen, allerdings Bismarck's Rath vertraulich eingeholt.1) 
1) Wie oben bemerkt, bezog Benedetti, der vom Familienrath im 
März nichts wußte, diese Angaben mißverständlich auf die entscheidende 
Unterhandlung im Juni.
	        
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