Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

1870 Benedetti's zweite Audienz. 301 
tritt dem Könige schon bekannt sei, und erachtete den ganzen 
Streitfall mit der Zustimmung des Königs erledigt. Dies 
aber war keineswegs Gramont's Meinung. Durch ein am 
12. Mittags abgesandtes Telegramm erklärte er sich zwar 
mit dem Aufschub für einen Tag einverstanden, ließ aber 
nach einer Stunde ein zweites Telegramm mit der Weisung 
folgen: Wendet alle Geschicklichkeit, ich möchte sagen, alle 
Schlauheit an, um festzustellen, daß die Entsagung des Prinzen 
Euch angezeigt, mitgetheilt oder zugestellt worden ist durch 
den König oder dessen Regierung; das ist für uns von 
der höchsten Wichtigkeit; die Betheiligung des Königs muß 
um jeden Preis von ihm eingestanden werden oder hand- 
greiflich aus den Thatsachen erhellen. So blieb er bis zur 
letzten Minute eigensinnig auf seinem, den Krieg in sich 
schließenden Satze, der König müsse den Rücktritt des Prinzen 
nicht bloß billigen, sondern befehlen oder irgendwie ver- 
anlassen, und damit sich Frankreich und der Welt als reuigen 
Sünder darstellen. Aber der Moment der Enttäuschung 
stand nahe bevor. Nach der Absendung seines Telegramms 
blieb ihm noch ungefähr eine Stunde für den Genuß seiner 
übermüthigen Einbildungen vergönnt. 
Denn der König war, wie sich versteht, unerschütterlich 
in seinem Entschlusse, seine und seines Landes Ehre nicht 
unter das Joch solcher Zumuthungen zu beugen. Dem 
plumpen Drängen Gramont's setzte er die einfache Taktik 
entgegen, jede eigene Erklärung hinauszuschieben, bis 
die Hohenzollern den Rücktritt von der Candidatur nach 
eignem Entschlusse in Madrid angemeldet hätten. Dann 
wäre der von Gramont begehrte Befehl des Königs nicht 
bloß unnöthig, sondern unmöglich geworden, und sein ganzes
	        
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