1870 Der Verzicht des Prinzen wird erklärt. Bismarck in Berlin. 303
Die Kunde von dem Verzicht des Prinzen verbreitete
sich im Laufe des Nachmittags am 12. Juli in Telegrammen
und Extrablättern weithin durch Deutschland. Sie wurde
bereits mit gemischten Empfindungen aufsgenommen. Man
war zufrieden mit dem Wegfall der Candidatur, die niemals
populär gewesen; man freute sich der jetzt, wie man glaubte,
gesicherten Aussicht auf Frieden. Dennoch aber hatte die
Nachricht für weite Kreise einen bittern Beigeschmack: ein
deutscher Prinz war in völlig berechtigter Sache vor einer
unberechtigten französischen Einmischung zurückgewichen. Am
Abend langte Bismarck, der auf den königlichen Wunsch aus
Varzin aufgebrochen war, in Berlin an, durch eine heiße
zehnstündige Fahrt erschöpft, jedoch in der Absicht, mit dem
Nachtzug die Reise nach Ems fortzusetzen. Im Ministerium
aber fand er die Nachricht von der Entsagung des Prinzen
vor: die Entscheidung also war bereits vor seiner Ankunft in
Ems gefallen; denn wie Napoleon und das gesammte Europa
hielt auch Bismarck damit die Sache für erledigt. Wozu
also noch die anstrengende Nachtfahrt? Er meldete dem
Könige seine Ermüdung, veranlaßte übrigens, da der König
ministeriellen Beirath gewünscht hatte, an seiner Stelle den
Minister des Innern, Grafen Eulenburg, zu reisen. Er selbst
blieb, nicht in freudiger Stimmung, sondern von schweren
Sorgen erfüllt, zurück. Gramont's beleidigende Drohungen
erfuhren jetzt keine Rüge; nach der Entscheidung der Haupt-
sache wären nachträgliche Beschwerden ungeschickt erschienen.
Dann aber quälte ihn die Frage, ob der König im Stande
gewesen, jede Einwirkung auf den Verzicht, jede Mittheilung
desselben an Benedetti und damit an die französische Regier-
ung zu vermeiden, so daß in keiner Weise der Schein einer