22 Das Zollparlament. 1868
Weise setzte sich die Verhandlung noch lange fort. Die Con-
servativen beklagten den Ton, welchen Braun hineingebracht;
Lasker erwiderte, ein Gewitter reinigt die Luft; wir haben
uns die Meinung offen gesagt und werden allmählich uns
besser verstehn: jedenfalls ist so viel deutlich geworden, daß
wie bei den Wahlen, so auch im Zollparlament sich heute
die deutsche Frage nicht mehr todtschweigen läßt; man mag
es wünschen oder tadeln, sie bricht überall trotz aller Behut-
samkeit an das Licht.
In namentlicher Abstimmung, unter vielfacher Spaltung
der Parteien, wurde dann der Commissionsantrag als eine
Mißbilligung des Verfahrens der Württemberger Regierung
mit 162 gegen 105 Stimmen angenommen.
Die Nationalliberalen glaubten diesen Sieg verfolgen
zu sollen. Eilf süddeutsche Genossen aus Darmstadt und
Baden, unterstützt von der gesammten Partei des Reichstags,
beantragten als Antwort auf die Thronrede den von ihnen
vorgelegten Entwurf einer Adresse an den König von Preußen
anzunehmen. Anknüpfend an den ersten Satz der Thronrede,
daß durch den nationalen Gedanken der Zollverein aus un-
scheinbaren Anfängen zu einer festen Verbindung aller deutschen
Staaten herangewachsen sei; sprach der Entwurf die Hoffnung
aus, daß die Kraft des nationalen Gedankens ununterbrochen
wirksam bleiben, und über die Schranken des Zollvereins
hinaus demnächst das unerschütterliche Recht der ganzen
deutschen Nation auf eine vollständige Vertretung aller ihrer
Gesammtinteressen verwirklichen werde. Aber sie mußten er-
leben, daß sie über die Stimmung des Hauses gründlich im
Irrthum gewesen. Wenn auch die juristische Kritik des
Württemberger Wahlgesetzes nicht hatte zurückgewiesen werden