Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

324 Neue Forderungen Frankreichs. 1870 
Im Laufe des Vormittags erhielt der König Werther's 
Bericht über das französische Begehren eines eigenhändigen 
Briefs des Königs an den Kaiser Napoleon mit der Betheuer- 
ung, bei der Aufstellung der Candidatur keine Verletzung der 
Interessen und der Ehre Frankreichs im Sinne gehabt zu 
haben. Die Wirkung war, wie sie nicht anders sein konnte, 
und natürlich durch die von Benedetti angemeldete andere 
Forderung doppelt empfindlich. Der König war empört 
über die Zumuthung eines solchen ihn erniedrigenden, noch 
dazu für die Offentlichkeit bestimmten Schrittes.:) Darüber 
kam gegen 1 Uhr der Brief des Fürsten Karl Anton, und 
in ihm, wie vermuthet, der eingehende Bericht über die Zu- 
rückziehung der spanischen Candidatur. Nach den frühern 
Außerungen des Königs wäre Benedetti jetzt zu einer Audienz 
zu laden gewesen, und in der That zählte dieser, der unter- 
dessen Gramont's nächtliche geschärfte Telegramme erhalten 
hatte, die Minuten bis zu seiner Berufung. Allein durch 
die Scene im Kurgarten war die Stimmung des König auch 
Benedetti gegenüber verwandelt; er beschloß, (wir werden 
gleich noch Näheres darüber hören), den Botschafter nicht 
weiter zu empfangen, und damit dies unabänderlich fest- 
stehe, es sogleich zur Kenntniß aller Welt zu bringen. Der 
eben in Ems eingetroffene Finanzminister Camphausen pflichtete 
freudig diesem Vorgehn bei. Nach 2 Uhr sandte der König 
den Flügeladjutanten Fürsten Radziwill zu Benedetti mit der 
Meldung, der Brief des Fürsten Karl Anton sei an- 
gekommen und bestätige den Verzicht seines Sohnes, der 
1) Benedetti p. 383. Gramont hatte es nicht für nöthig ge- 
halten, den Botschafter von dieser zweiten Forderung in Kenntniß 
zu setzen.
	        
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