1870 Kronrath Abends am 14. Juli. Der Krieg beschlossen. 341
Weisheit und Vaterlandsliebe zu vertrauen bei der Ent-
scheidung darüber, was Angesichts der neuesten Vorfälle zu
thun ist.
Die Verhandlung begann. Leboeuf verlangte mit höchster
Dringlichkeit die sofortige Einberufung der Reserven, brachte
aber auch jetzt die Mehrheit der Minister nicht von dem Vor-
satze ab, zunächst sich auf diplomatische Mittel zu beschränken.
Gegen 11 Uhr jedoch, fährt er in seiner Aussage vor der
Untersuchungs-Commission von 1872 fort, erhielt Gramont
eine Depesche, die er den Ministern vorlas, und deren Inhalt
so beschaffen war, daß er beinahe alle Minister von der
Unvermeidlichkeit der Mobilmachung und damit des Kriegs
überzeugte. Leider hatte der unglückliche General 1872 den
Inhalt dieser wichtigen Depesche wieder vergessen. Dafür
klären uns Ollivier und Gramont über diese Mittheilung
sattsam auf. Ollivier erzählt ganz kurz: in der Verhandlung
legte Gramont dem Ministerrathe die Depeschen vor, welche
dic Verletzung der Ehre Frankreichs erkennbar machten, und
hierauf setzte Leboeuf die sofortige Einberufung der Reserven
durch.
Bemerken wir, daß Gramont die Ehrverletzung nicht in
dem Inhalt oder dem Abdruck des gestrigen Berliner Tele-
grammes sah: wir haben dies in der Morgensitzung dieses Tags
vernommen. Auch wußte er aus Benedetti's Telegrammen, daß
in Ems keine Insulte vorgekommen, sondern Alles in ruhigen
Formen verlaufen war. Was ihn aufregte, war die amtliche
Versendung des Telegramms an alle Höfe Europas, damit
sie sämmtlich gleich nach dem Ereigniß die Beglaubigung der
Zeitungsnachricht erhielten, Preußen habe die Begehren Frank-
reichs kategorisch und unwiderruflich zurückgewiesen. Dies