344 Die Kriegserklärung. 1870
Übrigens berichtet über den Verlauf der Sitzung Gramont
noch weiter: „Es folgten dieser Meldung sehr bald andere
Nachrichten, daß die Preußen gegen unsere Grenzen im An-
marsche seien und sich mit wunderbarer Geschwindigkeit con-
centrirten. Damals also war es, daß die Regierung die Noth-
wendigkeit der Mobilmachung anerkannte und von der Kammer
die Mittel zu dem Widerstand gegen einen Angriff, dessen
Gefahr mit jedem Tage wuchs, zu fordern beschloß. Ich sah
ein, daß der Friede unmöglich geworden, und fügte mich dem
Entschluß zum Kriege, in der vollen Überzeugung des Siegs.“
Daß am 14. Juli in Deutschland noch nicht die geringste
Vorkehrung zur Mobilmachung, geschweige zum Marsch gegen
die französische Grenze getroffen war, kann man nicht bloß
im preußischen Generalstabswerk, sondern auch in den fran-
zischen Aussagen Benedetti's und Stoffel's nachlesen.)
Gramont wollte jetzt entschieden den Krieg, weil er bei
friedlicher Politik durch die Kammer oder die Armee beseitigt
und durch einen noch kampflustigeren Nachfolger ersetzt zu
werden fürchtete. Eine ähnliche Erwägung hatte jetzt auch
im Jahre 1872 druckt Gramont die Depesche in seinem Buche ab und
erzählt, daß er die Abschrift durch einen geheimen, auch jetzt noch nicht
zu enthüllenden Canal erhalten habe; er gibt sie hier als Beweis für
Bismarck's feindselige Gesinnung; warum hätte er unter diesen Um-
ständen kurz vorher dem Untersuchungs-Ausschuß ihre Verwendung
und Wirkung verschwiegen, wenn eine solche Statt gesunden hätte? Unter
die von ihm betonten Verletzungen der französischen Ehre kann ein
Gespräch nicht gerechnet werden, welches in Berlin unter vier Augen
und der Decke des Amtsgeheimnisses Statt findet, und zur Diskreditirung
des bis dahin beschlossenen Congresses hätte die Depesche nicht viel
beigetragen; denn so weit war den französischen Ministern Bismarck's
energische Handlungsweise bekannt, daß sie nicht auf dem Congresse
kräftige Gegenreden und Gegenbeschwerden von ihm erwartet hätten.
1) Benedetti, ma mission p. 9. Stoffel, rapports p. 453.