350 Die Kriegserklärung. 1870
hierin lag, unter Vermeidung einer formellen Lüge, eine that-
sächliche Täuschung der Commission. Das Argste aber sollte
noch folgen. Als Albufera um Vorlage der betreffenden
Depeschen bat, holte Gramont aus seiner Mappe einige
Papiere heraus, gab sie aber nicht aus der Hand, sondern las,
unter Verschweigung des Datums und einfacher Bezeichnung
der Ordnungsnummer, Eins, Zwei u. s. w., aus Nummer Eins
einen Satz vor: Ein Verzicht des Prinzen würde erst dann seine
volle Wirksamkeit haben, wenn der König ihm beiträte und zu-
gleich verspräche, dem Prinzen zu verbieten, auf die Candidatur
zurückzukommen. Hier liegt nun der formelle Betrug zu Tage.
Es war nicht das erste Telegramm an Benedetti vom 7.,
sondern das zehnte vom 12. Juli, eben dasselbe, worin die neue
Forderung der Garantien dem Botschafter übermittelt wurde.
Natürlich hätte jeder Leser des Schriftstücks sofort das Datum
und die Anfangsworte erblickt, die von der Anzeige des Ver-
zichts durch den Fürsten Anton redeten, und damit die Falsch-
heit der ministeriellen Angabe vor Augen gehabt. Eben des-
halb legte Gramont das Papier den Abgeordneten nicht vor
und verschwieg bei der Verlesung den ersten Satz. So ließ
sich die Commission über den wichtigen Punkt beruhigen und
nahm ebenso bereitwillig Gramont's Erläuterungen über die
Beschimpfung' Benedetti's und Andeutungen über mögliche
Bündnisse mit Osterreich und Italien entgegen. Sie em-
pfahl gleich nachher der Kammer die Genehmigung der
Credite und Gesetzentwürfe, unter der Erklärung, daß sie
von den Ministern überall die actenmäßige Auskunft erhalten
habe. Alles Widerstreben von Thiers, Jules Favre und
Gambetta war vergeblich; mit einer überwältigenden Majorität
wurden die Anträge der Commission zum Beschluß erhoben.