1870 Gramont's Fälschungen. Der Krieg wird beschlossen. 351
Der opferreichste Krieg des Jahrhunderts wurde am
6. Juli wegen eines aus der Luft gegriffenen Argwohns ver-
anlaßt, am 13. durch eine ungebührliche Zumuthung un-
vermeidlich, am 15. auf Grund einer ministeriellen Fälschung
entzündet.
In der Nacht war wieder lebhaftes Treiben und Jubiliren
in den Pariser Straßen. Große Banden von mehreren
hundert Menschen zogen mit Fahnen und bunten Laternen
hin und her, riefen hoch Frankreich, nieder mit Preußen, es
lebe der Krieg, sangen die Marseillaise und prügelten un-
barmherzig einen Jeden, der ein Hoch auf den Frieden aus-
zubringen wagte. Gleiche Bekundung des Volkswillens wurde
aus mehreren Städten der Provinz gemeldet. Es schien kein
Zweifel mehr: die öffentliche Meinung Frankreichs forderte
ungestüm den Krieg. Zwar die Berichte der Präfecten, die
sonst sehr ungern einem ausgesprochenen Willen des Ministe-
riums zu widersprechen wagten, ergaben nach einigen Tagen,
daß nur in 16 Departements die Stimmung lebhaft für den
Krieg, in 34 aber entschieden gegen denselben war, und in
37 die Ansichten durch einander schwankten. Aber was half
es? Der Wille der Hauptstadt war der Wille Frankreichs,
und der Wille der politisch thätigen Classen, der Staats-
männer und Parteiführer, der Schriftsteller und Zeitungs-
schreiber, dieses Mal auch der Kleriker und der Offiziere war
der Wille von Paris. Als das Kriegssignal einmal gegeben
war, flammte bei der Jugend aller Orten patriotisches Ehr-
gefühl und soldatische Kampflust hoch auf; seit vier Jahren
war der Arger über Preußen gründlich geschürt worden, und
weithin durch das Land erscholl der Ruf: dies Preußen
will uns die erste Stelle in Europa nehmen, nieder mit ihm!