1870 Gespräche Vitzthum's mit Napoleon und Gramont. 353
reich diplomatisch das Mögliche zur Abwendung des Kriegs
thun würde, sprach Napoleon darüber seine Freude aus und
gab dem Grafen in aller Form den Auftrag, in seinem Namen
den Kaiser Franz Joseph um die Berufung eines europäischen
Congresses zur Regelung des Zwistes zu bitten.
Den Herzog von Gramont zu sprechen, gelang Vitzthum
auch an diesem Tage erst am Abend, unmittelbar vor seiner
Abreise. Der Minister kam eben aus der Kammer und war
in höchster Aufregung. Der Krieg ist entschieden, rief er,
und wenn Osterreich seine Interessen begreift, so geht es mit
uns. Vitzthum erwiderte: Die Audienz, die mir der Kaiser
heute Morgen bewilligt hat, erlaubt mir nicht, den Krieg für
unvermeidlich zu halten; Se. Majestät hat mich ausdrücklich
beauftragt, meinen erlauchten Herrn zu bitten, einen euro-
päischen Congreß vorzuschlagen. Bei dem Worte Congreß
gerieth Gramont in eine unbeschreibliche Wuth und polterte
heraus, wie er gestern im Conseil diesen Antrag des Kaisers
niedergeschlagen hätte. Wir haben unsere Reserven ein-
berufen, schloß er, und Leboeuf hat uns erklärt, daß wir
archipréts seien.
Vitzthum brach ab und ging zum Bahnhof. Metternich,
der ihn begleitete, sagte: Es ist gut, daß Sie ihn noch ge-
sehn haben; nun können Sie mir bezeugen, daß es verlorene
Mühe wäre, einem Menschen Vernunft zu predigen, der den
Kopf völlig verloren hat und nicht mehr zurechnungsfähig ist.
Von einem Congreß konnte für jetzt keine Rede sein.
Napoleon aber schrieb einige Tage später in düsterer Nieder-
geschlagenheit an seine seit Jahren vertrauteste Freundin, die
fern von aller Politik in tiefer Zurückgezogenheit lebende
Königin Sophie von Holland: Ich habe diesen T nicht
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. VII.