Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

1870 Opposition der Clerikalen. 363 
Dieses Mal war ihm freilich beschieden, nicht bloß eine un- 
deutsche Gesinnung, sondern eine staatsmännische Unfähigkeit 
in seltener Weise an den Tag zu legen. Die Kammer war 
bis auf den letzten Platz besetzt, die Galerien überfüllt von 
leidenschaftlich gespannten Zuhörern; draußen auf den Straßen 
wogten dichte Menschenmassen, die einen solchen Zorn gegen 
die Kammermehrheit bekundeten, daß die Regierung das Erd- 
geschoß des Ständehauses mit einer starken militärischen Be- 
satzung erfüllt hatte. In dieser Umgebung entwickelte Jörg 
den Sinn der bewaffneten Neutralität dahin: sie sei das 
ernstliche und principielle Streben eines Staats, in den Krieg 
anderer Mächte sich nicht einzumischen, so lange nicht die 
Bedrohung der eigenen Existenz zur Action zwinge. Graf 
Bray hatte in der Commission geäußert, mit dem Rücktritt 
des Prinzen von Hohenzollern sei die spanische Frage ver- 
schwunden und die deutsche begonnen. Jörg erklärte da- 
gegen, nach der dann erhobenen französischen Forderung, die 
er offenbar für eine völlig angemessene hielt, hätte es Preußen 
nur ein Wort gekostet, um das Vergießen von Strömen 
Blutes zu verhindern. Aber der König habe es übel ver- 
merkt, daß Benedetti ihn auf der Promenade angesprochen, 
und so habe der Krieg seinen Ursprung genommen aus einem 
wirklichen oder eingebildeten Verstoß gegen die Etikette. Von 
einer deutschen Frage könne dabei nicht die Rede sein. Der 
Minister selbst habe die Neutralität empfohlen unter der 
Voraussetzung, daß sie von den kämpfenden Parteien an- 
erkannt werde. Nun, erklärte der Redner, diese Voraus- 
setzung ist im vorliegenden Falle vorhanden. Preußen hat 
sich zwar noch nicht darüber geäußert, aber der Vortheil, 
den ihm die Neutralität des Südens durch die Deckung seiner
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.