1870 Sieg der nationalen Gesinnung. 365
die Nacht hinein fort. Es zeigte sich, daß auch bei einem
Theile der patriotischen Partei die Gewalt der Thatsachen
einen echten Patriotismus erweckt hatte. Professor Sepp,
ein tüchtiger Gelehrter, wenn auch zuweilen ein etwas wunder-
licher Heiliger, erklärte, noch gestern Abend habe er eine Rede
für die Neutralität ausgearbeitet, aber zwischen gestern und
heute liegen zehn Jahre, die französische Kriegserklärung ist
da, die preußische Thronrede setzt unsern Anschluß voraus;
wer fragt heute noch nach dem Anlaß des Kriegs? gestern
konnte man noch an das Weh von 1866 denken, heute ist
der Zorn gegen die Wälschen bei allen deutschen Männern
erwacht; wir Bayern haben an der Leipziger Schlacht nicht
Theil genommen, bei der neuen Nationalschlacht wollen wir
dabei sein. Ein stürmisches Bravo begleitete die Rede. Die
nationalliberalen Abgeordneten Fischer und Völk traten mit
feurigem Schwung für die deutsche Sache ein; der Pfälzer
Levi erklärte: bei uns sind alle Partcien einig; die Provinz
weiß, was ihr zunächst bevorsteht, wir aber wollen deutsch
sein und mit den deutschen Brüdern gehn. Der alte Groß-
deutsche, der Abgeordnete Edel, schloß sich ihnen in einer von
glühender Begeisterung getragenen Rede an; der Sieg der
nationalen Sache war entschieden. Mehrmals war energischer
Beifall oder Zischen der Galerien trotz ernster Verwarnung
des Präsidenten durch die gewohnten Ordnungsschranken hin-
durchgebrochen. Endlich nach 10 Uhr kam man zur Ab-
stimmung, und der Ausschußantrag wurde mit 89 gegen 58,
eine vermittelnde Modification desselben mit 76 gegen 72
Stimmen verworfen, wieder unter allgemeinen Hochrufen der
Galerien. Darauf wurde bei der Unvermeidlichkeit des Kriegs
für die Kosten der Mobilmachung der Betrag von fünf