1870 Patriotische Begeisterung in Württemberg. 367
damals Chef des Generalstabs, ob er unter Ersparniß von
jährlich einer halben Million Gulden das Kriegsministerium
übernehmen und die bestehende Organisation aufrecht erhalten
wolle. Suckow erklärte sich, wenngleich schweres Herzens,
bereit und arbeitete einen Plan aus, nach welchem die ge-
forderte Ersparniß theils durch höchste Knappheit in allen
Ausgaben, theils durch starke Verminderung des Mann-
schaftsstandes im Frieden erreicht, die Cadres aber, das
preußische Exercierreglement und die zweijährige Dienstzeit
erhalten werden sollten. Der König genehmigte diesen Etats-
entwurf, und am 14. Juni nahm ihn auch der Ministerrath
an; etwas wird der Herr Kriegsminister wohl noch herunter-
gehn, bemerkte übrigens Mittnacht am Schlusse der Berathung,
nicht gerade zur Beruhigung Suckow's. Am 29. Juni wurde
der Entwurf dem ständischen Ausschuß zu vorläufiger Prüfung
überwiesen. Der Herbst sollte dann die Entscheidung bringen.
König Karl reiste in das Engadin zur Badekur.
Da kam plötzlich der Umschwung, als Frankreich nach
dem Rücktritt des Prinzen von Hohenzollern neue ehren-
rührige Forderungen an den König von Preußen stellte.
Mit einem Schlage war der Jammer über den Militarismus
und der Argwohn gegen Bismarck's Herrschsucht verflogen.
Der Grimm gegen den empörenden französischen Angriff
löschte jedes andere Gefühl bei dem schwäbischen wie bei dem
bayerischen Volke aus. In wie vielen schwäbischen Städten
und Städtchen, wo noch vor vier Wochen die Anrede: Du
Preuß, für ein Schimpfwort gegolten hatte, ertönte jetzt
durch die Straßen der Ruf: König Wilhelm hoch! Am
16. Juli, dem Tage der preußischen, bayerischen und badischen
Mobilmachung, vereinte sich in Stuttgart eine colossale, von