Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

1870 Russische Neutralität. 379 
Bündnisse längst geschlossen hatte, sondern Frankreich, welches 
sie zu schließen erst bemüht war. Die Nachtheile, welche der 
französischen Politik durch diese Thätigkeit der englischen 
Diplomatie erwuchsen, stellten sich sehr bald als höchst be- 
deutend heraus, zumal England hiebei in energischer Weise 
durch die russische Regierung unterstützt wurde. Allerdings 
waren die in Petersburg wirkenden Beweggründe von ganz 
anderer Art als die englischen. 
Zunächst war Kaiser Alexander mit seinem königlichen 
Oheim von Preußen durch die Bande einer warmen persön- 
lichen Hochachtung und Zuneigung verknüpft. Zwar hatte 
er Anfangs die Candidatur Hohenzollern so entschieden wie 
irgend jemand mißbilligt, dann aber nach dem Rücktritt des 
Prinzen Leopold die Fortsetzung des Haders durch Gramont 
mit Entrüstung verurtheilt. Dazu kamen wichtige politische 
Interessen. Auch er war besorgt, ob Deutschland stark genug 
sein würde, der französischen Heeresmacht Widerstand zu 
leisten, und nichts schien gewisser, als bei einem Vordringen 
der Franzosen in den deutschen Osten eine neue Erhebung 
der 1863 so mühsam überwältigten Polen, die schon jetzt in 
Galizien ihre französischen Sympathien und Hoffnungen ge— 
räuschvoll der Welt verkündigten. Sodann aber haben wir 
bereits früher wahrgenommen, wie lebhaft in jedem russischen 
Herzen die Schmach der 1856 erzwungenen Neutralisation 
des schwarzen Meeres empfunden wurde, und wie 1866 
Preußen sich bereit erklärt hatte, unter günstigen Umständen 
zur Beseitigung dieses von Frankreich und England der rus- 
sischen Machtstellung zugefügten Schadens mitzuwirken. Seit- 
dem waren die Beziehungen zwischen Berlin und Petersburg 
auch ohne förmlichen Bundesvertrag immer enger geworden,
	        
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