Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

30 Das Zollparlament. 1868 
Ägidi unterstützte diese brüderliche Gesinnung, und obgleich 
Bamberger bemerkte! wir Süddeutschen sind niemals ein- 
stimmig, auch sind wir nicht ein Malteser-Convent mit einer nord- 
und einer süddeutschen Zunge, sondern wir sind ein deutsches 
Parlament — wurde Mohl's Antrag angenommen, und am 
15. Mai die Vorberathung über die Besteuerung des Tabaks 
eröffnet. 
Die Frage ist seitdem sehr oft in unsern Parlamenten 
erörtert und die Lösung in den mannichfaltigsten Formen 
stets vergeblich erstrebt worden. An dieser Stelle sie gründ- 
lich zu behandeln, würde schwerlich den Lesern erfreulich sein: 
es wird genügen, die leitenden Gesichtspunkte in Erinnerung 
zu bringen. 
Bei jedem Auftauchen der Frage pflegt sich sofort ein 
Sturm zahlreicher Interessenten, Tabakspflanzer, Tabaks- 
händler, Tabaksfabrikanten, zu erheben. Eine in kräftiger 
Blüthe stehende Industrie werde durch erhöhte Besteuerung 
gestört, wenn nicht ruinirt. Und zwar seien es vorwiegend 
viele Tausende kleiner Leute, die an dieser Production be- 
theiligt seien, theils als Tabakspflanzer, theils als Fabrik- 
arbeiter, welchen durch eine solche Maaßregel plötzlich die 
Nahrung abgeschnitten würde. Dasselbe gelte aber auch auf 
der Seite der Consumenten, da die Tabaksteuer, wie bekannt- 
lich jede indirecte Steuer, vorwiegend die ärmere Classe 
treffe; es sei ungerecht und inhuman, dem armen Manne 
seinen einzigen Genuß, die Pfeife, zu vertheuern. Dieser 
Aufruf der Menschenfreundlichkeit fand um so weitern Wider- 
hall, als auch der Mittelstand seine Bremer, und der reiche 
Mann seine Havanna-Cigarre lieber niedrig als hoch im 
Preise stehn sahn.
	        
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