402 Allianzversuche. 1870
weitere Entwicklung und das eigne davon abhängige Ver-
halten zu bilden. .
Vitzthum erwiderte darauf, daß man auch in Wien über
diese Langsamkeit erstaunt wäre. Rom anlangend, habe
Beust dem Kaiser Napoleon vorgeschlagen, die Verhandlung
mit Italien über die dem Papste zu gewährenden Garantien
in Osterreichs Hände zu legen; er habe darüber eine Depesche
mitgebracht, die er dem Minister vertraulich vorlegen würde.
Der König fand es nicht nöthig, über diese Frage weiter
zu reden, und entließ den Gesandten mit dem Versprechen,
ihn wieder rufen zu lassen, wenn die Ereignisse weitere Ent-
schließungen und Eröffnungen gestatten würden.
So stark hatte der „leidige September-Vertrag“ die
Neigung des Königs zum französischen Bündniß bereits ge-
dämpft. Wenn Napoleon schon jetzt bei der Aufforderung
zur Kriegshülfe den nationalen Bestrebungen Italiens so
wenig entgegenkam, wie gebieterisch würde er sie als sieg-
reicher Triumphator unterdrücken!
Als Vitzthum den Minister Visconti-Venosta besuchte,
redete er ihm bei diesem Verhalten des Königs weder von
seiner Audienz noch von der Depesche oder dem Vertrags-
entwurf, sondern begnügte sich, nach den Absichten der
italienischen Regierung über den Krieg zu fragen. Er fand
auch den Minister äußerst zurückhaltend. Die italienische
Armee sei keineswegs kriegsbereit. Die Verhandlungen von
1869 über den Defensivbund hätte Napoleon zu den Acten
gelegt; Italien sei also frei von jeder Vertragspflicht. Es
bliebe für Italien die Pflicht der Dankbarkeit für 1859.
Aber diese Dankbarkeit sei durch die französische Besetzung
Roms und durch Mentana auf harte Proben gestellt worden.