Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

1868 Beschluß im nationalen Sinne. 4 
Augenblick durch Probst's blinden Eifer geeinigten Parteien, 
Altliberale und Nationalliberale, Fortschrittspartei und Con- 
servative. Wohl zum größten Verdrusse der Südfraction 
erschien am Schlusse auf der Tribüne ein Vertreter der 
bayerischen Provinz Schwaben, Völk, um in einer von Ver- 
stand, Humor und Enthusiasmus überströmenden Rede seinen 
engern Heimathgenossen das Recht zu der Redeform „wir 
Süddeutsche, wir Schwaben“ zu bestreiten, indem er aus- 
führte, daß durch die zufällige Vertheilung der Einwohner 
in den Wahlbezirken die Gegner zwar die Mehrheit der 
Mandate errungen, die Mehrheit der Wähler aber auf der 
nationalen Seite stehe. Als er mit dem Ausruf schloß: noch 
haben einige Leute Vergnügen daran, sich mit Schneeballen 
zu bewerfen; aber die Sonne wird mit wachsender Wärme 
ihnen das Material bald verzehren: ja, meine Herrn, es ist 
Frühling geworden in Deutschland, da ging ein jubelnder 
Beifall durch das Haus, und nicht bloß der Vertrag mit 
Osterreich, sondern auch Bamberger's Antrag wurde mit 
überwältigender Mehrheit angenommen. Einen so ärgerlichen 
Tag hatte die Südfraction noch nicht erlebt, indessen sollte 
ihr sehr bald dafür reichlicher Trost zu Theil werden. Es 
sollte sich zeigen, daß auch bei der nationalgesinnten Mehrheit 
immer noch ein starker Rest der alten Stimmung zurückgeblieben 
war, bei welcher die deutsche Einheit ein hohes Ideal ge- 
wesen, das praktische Handeln aber durch locale und materielle 
Interessen bestimmt wurde. Am 18. Mai hatte man für eine 
leuchtende Zukunftshoffnung geschwärmt, am 19. ging man 
wieder völlig nüchtern an die Geldgeschäfte des heutigen Tags. 
Zur Berathung stand die Regierungsvorlage über Reform 
des allgemeinen Zolltarifs, soweit er nicht schon durch den
	        
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