1868 Erörterung der Streitfrage durch Otto Camphausen. 51
größte Theil jener Briefe enthalte die Dienstcorrespondenz
der Behörden; belaste man sie mit Porto, so müßten es die
Staaten zahlen; es sei also gleichbedeutend mit einer ent-
sprechenden Erhöhung der Matricularbeiträge.
Genug, das ordentliche Budget bot keine Mittel für die
außerordentlichen neuen Schöpfungen der Marine. Nur die
Realisirung der Anleihe konnte helfen.
Je unabweisbarer diese Thatsache hervortrat, desto leiden-
schaftlicher entwickelte sich die Debatte über die Miquel'sche
Clausel. Jede Partei schob dem Gegner die Verantwortung
für das Unheil des Vaterlandes zu, wenn er eigensinnig auf
seiner Meinung beharre. Unaufhörlich flog der Vorwurf
doctrinärer Starrheit und mangelnden Patriotismus hinüber
und herüber. Indessen blieb bei diesem Feuerwerk ein großer
Theil des Hauses kalt. Von verschiedenen Seiten kam der
Ruf, alle diese Recriminationen seien nutzlos. Alle Welt sei
einig in dem Wunsche, die deutsche Flotte mächtig erstehn
zu sehn! es müsse doch möglich sein, eine Vermittlung zu
finden, wobei der Wille der Nation verwirklicht und zugleich
keine Partei zur Verletzung ihrer Principien genöthigt würde.
Da erhob sich, um den Weg zu einer solchen Vermittlung
anzudeuten, Otto Camphausen, damals einer der höchsten
Beamten des preußischen Finanzministeriums, gleich bewährt
als Techniker dieses Faches wie als alter Parlamentarier,
dessen Reden durchgängig auf rhetorischen Schmuck und
Farbenwechsel verzichteten, aber durch erschöpfende Sachkennt-
niß, geschlossene Logik und sicheres Urtheil über das Erreich-
bare stets zum Zwecke trafen. Er knüpfte an eine heftige
Außerung von Schulze-Delitzsch an, es sei unerhört, daß der
Bundesrath, dem erst der Reichstag das Anleiherecht durch
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