1864 Emil Ollivier. 69
fand, wie wenig Freiheit von der unduldsamen Herrschsucht
der jacobinischen Schule zu erwarten war; der Abfall von
ihr war längst in seinem Innern vollzogen, So fand ihn
Morny, als er 1864 ihm einen liberalen Gesetzentwurf der
Regierung, zu Gunsten der bis dahin streng verpönten
Arbeiter-Coalitionen vorlegte, und ihn bat, die Vertretung
desselben im Hause zu übernehmen; es werde nur der erste
Schritt auf liberalen Wegen auch für die Regierung sein,
welche in dieser neuen Laufbahn überall mit Freude seinen
Rathschlägen Gehör geben würde. Der Werber hatte damit
den richtigen Ton angeschlagen, Ollivier widerstand dem Bilde
nicht, nach seinen liberalen Grundsätzen Frankreich organisirt
und hoffentlich unter seiner Lenkung regiert zu sehn; wie
wenig käme dabei noch auf die Aufschrift Monarchie oder
Republik an! Genug, er schlug ein. Robespierre's Biograph
Hamel versichert, Ollivier habe für seinen Verrath an der
heiligen Sache der Republik eine jährliche Rente von 30000
Franken erhalten: ich kann das nicht controliren, jedoch
fordert es die Gerechtigkeit, daneben auch die andere That-
sache zu bemerken, daß ihm seine liberalen Grundsätze im
Wesentlichen weder für Geld noch für Macht feil geworden sind.
Unzögerlich schritt er an das Werk. Sollte das liberale
Kaiserthum, oder mit anderen Worten die constitutionelle
Monarchie unter Napoleon III. allmählich verwirklicht wer-
den, so war es unerläßlich, zunächst innerhalb des Parla-
mentes selbst, zwischen den monarchischen und den republi-
kanischen Absolutisten das neue Banner aufzupflanzen. In
der That gelang es, bei der Adreßdebatte von 1865 eine
Gruppe von 61 Mitgliedern (unter 280) zu einem Antrage
zu vereinigen, der der Dynastie Bonaparte die feste Anhäng-