— 91 —
daß der Jugend der Glaube einer Kirche, die Religion im Ge-
wande einer Konfession als heiliges Dermächtnis, als bindender
Glaube übermittelt werde, wobei eine freiere Richtung die Dogmen
kritisch behandelt und nur als glaubenswert beibehalten möchte,
was dem Kulturbewußtsein unserer Seit noch entspricht, während die
andere, die orthodoxe, an der Überlieferung nicht gerüttelt wissen
will. Die andere Ansicht verlangt, daß die Jugend erfahre, was ge-
glaubt wurde und geglaubt wird, daß der Religionsunterricht
geschichtlich angelegt werde und, wie jedes andere Wissensgebiet,
ohne jeden Jwang und ohne jede hindrängung auf die glaubens-
mäßige Kneignung des einen oder des anderen, die Religion als ein
Bestandteil des menschlichen Kulturerbes behandelt werde.
Die erstere Knschauung, auch die freiere Richtung innerhalb derselben,
verlangt konfessionellen, der Nirchenlehre entsprechenden oder doch
mit ihr korrespondierenden, die andere allgemeinen, für alle
Konfessionen gemeinsamen Religionsunterricht. Die Begründung der
einen wie der anderen AKnschauung kann hier nicht ausreichend ge-
geben werden (vgl. „Schulkämpfe der Gegenwart“ 2. Dortrag, und
„Moderne Erxziehung in haus und Schule“ 8. Dortrag). Ich muß mich
hier im wesentlichen darauf beschränken, die gesetzliche Möglichkeit
und JIweckmäßigkeit darzulegen.
Da der konfessionelle Unterricht kirchlich gebunden ist und in
freierer oder weniger freier Lorm von der Kirche bestimmt wird, ist
es das Uächstliegende, ihn auch der Nirche zu überlassen, ihn seitens
der Kirche, völlig getrennt von der Schule (Srankreich) oder in der
Schule selbst (Osterreich) mit oder ohne Mitwirkung der Tehrer er-
teilen zu lassen. Der Staat kann diese kirchliche Erteilung des
Religionsunterrichts seinerseits freundlich fördern, der Kirche ihre Kuf-
gabe dabei erleichtern, Nollisionen zwischen Schule und Kirche nach
Möglichkeit verhindern usw., wozu der Staat wegen der starken dies-
seitigen Wirkungen eines eindrucksvollen Religionsunterrichts hin-
reichende Deranlassung hat. (Dal. „Moderne Erxziehung in haus
und Schule.") Der Dogmenstreit der KNirche braucht den Staat hier-