Full text: Grundzüge der deutschen Schulgesetzgebung.

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da Religion in dieser Beziehung ein Teil der allgemeinen Kultur 
ist. Wenn die Schule von sich aus Religionsunterricht erteilt, 
ist er darum, wie jeder andere Gegenstand, für alle Kinder gemein- 
sam und verbindlich. 
Niemals und in keiner hinsicht darf von der Schule im Religions-= 
unterrichte verlangt werden, daß sie Jiktionen für Wirklichkeit aus- 
gibt. Der Eläubige, von der Wahrheit seiner Sache Überzeugte 
darf auch auf dem Katheder die Dogmen seiner Nonfession als seinen 
persönlichen Glauben vertreten. Kber jeder -Swang, jede auch rein 
geistige gewaltsame Einwirkung dieser K#rt auf die Jugend ist aus der 
Schule zu verbannen, und vor allem dürfen die Dogmen der einen 
Nonfession niemals als lautere Wahrheit und die der anderen als 
Jrrtum, Irrlehre, Lug und Urug von der Schule aus gegenübergestellt 
werden. Wie weit die innere Wahrheit und Unwahrheit einer Re- 
ligion ober Nonfession vor Schülern zu erörtern ist (erörtert werden 
kann), ist Sache der pädagogischen Untersuchung, deren Ergebnis 
die Schulgesetzgebung aber kaum wird verwenden können. Das 
gehört ebensosehr wie alles rein Dädagogische und Methodische in 
das eigenste Gebiet der Dädagogik. 
Dem Einwande gegenüber, daß ein solcher Religionsunterricht 
an dem Widerstande der Kirche scheitern müsse, sei hier nur auf das 
Beispiel von Sürich hingewiesen. Laut GEesetz vom 11. Juni 1899 
wird in den Drimarschulen auch Unterricht in biblischer Geschichte 
und Sittenlehre erteilt, und dieser Unterricht wird „in den ersten 
sechs Schuljahren durch den TLehrer erteilt und ist so zu gestalten, 
daß Schüler verschiedener Konfessionen ohne Beeinträchtigung der 
Gewissensfreiheit an demselben teilnehmen können". Und diese 
Regelung hat keinen konfessionellen Unfrieden, keine kirchliche Kuf- 
lehnung zur Folge gehabt in einer Stadt, aus der ein David Sriedrich 
Strauß seinerzeit flüchten mußte und in der auch heute, wie bekannt, 
die religiöse Gleichgültigkeit kaum besonders groß ist. „Gllgemeiner“ 
Religionsunterricht in derselben Lorm wird auch tatsächlich mehr 
erteilt, als unsere konfessionell gestalteten Schulgesetze vermuten
	        
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