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eine weitgehende Selbstverantwortlichkeit im inneren Schulleben zu
pflegen und der Bureaukratisierung der Schule und der Entgeistigung
des pädagogischen Lebens vorzubeugen, wird mit der Einordnung
der Schule in die Staatsverwaltung dringender. Den daraus ent-
springenden Gefahren muß auf jeden Sall begegnet werdent).
1) „Der Cehrer als Beamter hat „seinen Dienst“ zu tun wie jeder andere
Beamte: pünktlich, gewissenhaft, ohne äußere Derstöße, streng abgemessen,
so daß das Kuge des kontrollierenden Vorgesetzten keinen Lehl und keinen
Tadel zu entdecken vermag. Eine rbeit, die so gemessen und bewertet wird,
muß äußerlich leicht erkennbar sein. Die Tehrerarbeit hat derartige
Bestandteile: korrekt geführte Listen, regelrecht absolvierte Densen, gute
Disziplin, gute Prüfungsresultate, gute Beschaffenheit der Lehr= und TLern-
mittel usw. Hber liegt in diesen Kußerlichkeiten der Wert und das Wesen der
Schule? Sie sind Beiwerk, ohne das eine gute Schule bestehen kann. Sie sind
das Unwesentliche, das man nicht unterschätzen soll, das aber, als das Wesent-
liche betrachtet, die Eigenart der Schule erdrückt. Es ist die Jorm, in der tote
Steingebilde leichter Hlatz haben als lebendige Wesen.
Jedee Organisation, die die Schularbeit schematisiert, mechanisiert und
bureaukratisiert, ist der Tod für die Ichule. Unterricht und Erziehung sollen
nicht satte, fertige Menschen schaffen, die man wägen und messen und ab-
schätzen kann, sondern hungernde, verlangende Wesen, die ausschauen nach
mehr und nach höherem und Größerem, für die alles, was sie erreicht haben,
nur der Antrieb zu weiterem Suchen, Sinnen und Streben ist.
Das kann nur eine individuelle, freie Erziehertätigkeit bewirken, eine
Erzieherarbeit, bei der der Mensch zum Menschen kommt und in der un-
wägbare und unmeßbare geistige Einflüsse von dem voraufschreitenden
älteren Wesen in das nachfolgende jüngere überströmen. Das Beste, was
der Erzieher tut, kann er weder ins Densenbuch schreiben noch dem inquirieren-
den Kufsichtsbeamten ad oculos demonstrieren. Ob eine Schule gut ist, kann
freilich auch der Fremde wahrnehmen, wenn er ein feinfühlender und psucho-
logisch geschulter Mensch ist, der sich von Bureaukratenwitz und Bureaukraten-=
dünkel möglichst fernhält.
Der Staat kann das Seine tun, daß eine solche Kulturarbeit sich ent-
wickelt. Die Schule kann als freie Uochter des Staates dies alles werden,
nicht aber als die willenlose Dienstmagd der Staatsbureaukratie. Eine so
gestellte Schule kann sich im Staate, von ihm gestützt und gefördert, unter-
halten und vermehrt, in derselben Weise entwickeln, wie sich die höchsten-
Bildungsinstitute, die Universitäten, Hkademien usw., entwickelt haben. Der
Lehrer muß dem Staate gegenüber dieselbe Stellung haben wie der Richter
und der Universitätsprosessor.“ (Kus „Schulkämpfe der Gegenwart“, S. 153 ff.)