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Recht, uns besondere Lieblingsweine nach eigener Wahl
aus dem Keller kommen zu lassen. Der Fürst trank ge—
wöhnlich nur Bier aus einem silbernen Humpen. Er
liebte eine kräftige Hausmannskost und es war ein Ver—
gnügen, ihn vor einer Schüssel mit Gänseklein zu beob—
achten. Von den Krebsen meinte er einmal, sie hätten die
sonderbare Eigenschaft, daß sie immer kleiner würden, je
häufiger die Schüssel herumgehe. Das rasch servirte Diner
dauerte höchstens eine Stunde. Dann begaben wir uns
in den großen Salon. Der Fürst zündete sich eine Pfeife
an, setzte sich an den Kamin, in den er von Zeit zu Zeit
einen Holzscheit warf, und nun begann die interessanteste
Stunde des Tags.
Wer jemals einem parlamentarischen Rout im Berliner
Reichskanzlerpalais beigewohnt und gesehen hat, welch'
eine dichte, drei und vierfache Corona sich um den Platz
des Fürsten Bismarck bildete, um wo möglich jedes seiner
Worte zu erlauschen, wer dann gehört hat, in wie zwangs-
loser Weise er sich in seinen Aeußerungen gehen ließ, der
wird den Reiz ermessen können, den eine Unterhaltung
mit ihm unter vier oder sechs Augen hatte. Ließ er sich
auch den Parlamentariern gegenüber scheinbar gehen, in
Wirklichkeit sagte er doch nichts, als was er sich zu sagen
vorgenommen hatte. Am Varziner Kamin dagegen ent-
hüllte er seine geheimsten Gedanken, hier fühlte er sich
von jeder Rücksicht frei und empfand das Bedürfniß, sich
auszusprechen. Unerschöpflich war er in Mittheilungen
aus seiner parlamentarischen und amtlichen Vergangenheit.
Man brauchte ihn nur nach irgend einem Ereigniß des