Full text: Persönliche Erinnerungen an den Fürsten Bismarck.

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Etwas nach Mitternacht war Postschluß. Die Diener 
erschienen, um die Briefe und sonstigen Postsachen zu kou— 
vertiren und zu siegeln. Um halb 1 Uhr war die Tages- 
arbeit gethan. Es folgte die Theestunde im Zimmer der 
Fürstin, die sich gewöhnlich noch auf Stunden ausdehnte. 
Nachdem der Fürst, der um diese Zeit die Zeitungen 
zu lesen pflegte, sich etwa um 2 Uhr entfernt hatte, blieben 
wir anderen noch gemüthlich beisammen, musizirten und 
plauderten oder lasen aus Zeitungen vor. Graf Herbert 
und ich ließen uns auch wohl einmal noch einen guten 
Tropfen bringen und schwangen dann den Humpen. Vor 
4 Uhr kam man selten zur Ruhe. 
Es ließ sich nichts Behaglicheres denken, als das 
Leben in Varzin und Friedrichsruh. Alles gestaltete sich 
hier zwanglos und anmuthend und in den wohnlichen 
Räumen herrschte eine Gastfreiheit, wie sie nur auf länd- 
lichen Herrensitzen geübt werden kann. Hier draußen 
wollte der Fürst nichts anderes sein, als ein einfacher 
Landedelmann, dem es eine Freude ist, seinen Gästen das 
Leben angenehm zu machen. Und dennoch verleugnete er 
nie den grand seigneur. Sein Benehmen war stets das 
gleiche, einerlei, wer ihm gegenüber stand. Ob er einen 
Minister oder einen Gutsnachbarn an der Hausthür em- 
pfing, ob er die Frau Pastorin aus Wussow oder die 
Fürstin Reuß, geb. Prinzessin von Weimar, zu Tische 
führte, immer war seine Haltung gleich vornehm, ver- 
bindlich und ritterlich. 
Es sei mir gestattet, obwohl es über den eigentlichen 
Rahmen meines Vortrags hinausgeht, an dieser Stelle
	        
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