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Sachverständigen das nöthige Material zu beschaffen, um
die Vorschläge formuliren und ausführlich begründen zu
können, die später die Zustimmung des Bundesraths und
Reichstags fanden, so war dies nur möglich unter Auf—
bietung des letzten Hauches der Arbeitskraft. Meine Auf—
gabe war eine doppelt schwierige, als ich daneben die Ge—
schäfte der Reichskanzlei fortführte. Die Sitzungen der
Kommission dauerten von 10 Uhr Morgens bis 4 oder 5
Uhr Nachmittags. Dann speiste ich gewöhnlich beim
Fürsten, um ihm während des Diners über den Fortgang
unserer Arbeiten Vortrag zu halten. Und dann saß ich
in meinem Bureau bis tief in die Nacht hinein. Häufig
bin ich erst beim Tagesgrauen nach Hause gekommen.
Nicht besser wurde es, als demnächst die Verhand-
lungen im Reichstage begannen und ich als Kommissar
des Bundesraths dort die Getreide= und Viehzölle zu ver-
theidigen hatte. Als Abgeordneter Reden zu halten, ist
keine Kunst. Es gehört nur etwas Uebung und ein ge-
wisses Quantum Unverfrorenheit dazu. Man braucht nicht
zu sprechen, wenn man nicht aufgelegt ist, und kann zu
jeder Zeit frühstücken. Aber im Reichstage als Vertreter
der Reichsregierung auf jeden Angriff antworten zu müssen
und deshalb gezwungen zu sein, mit unausgesetzter Auf-
merksamkeit auch den thörichtsten Reden zu lauschen, das
ist ein Vergnügen so sonderbarer Art, daß Niemand, der
es einmal gekostet hat, nach seiner Wiederholung ver-
langen wird.
Als ich im Sommer 1879 kurz vor Schluß des Reichs-
tags eines Morgens zum Fürsten in's Zimmer trat, er-