Full text: Persönliche Erinnerungen an den Fürsten Bismarck.

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stets bereit, einen Nadelstich mit einem Degenstoß zu ver— 
gelten. Daß er bei dieser Freude am Kampfe bisweilen 
mit Kanonen auf Spatzen geschossen hat, läßt sich nicht 
leugnen. Aber die Spatzen zwitscherten zu unverschämt 
und es war gerade kein leichteres Gewehr zur Hand. 
Bei aller Kraft und Erregbarkeit seines Temperaments 
blieb doch ein kühler Realismus der Grundzug seines 
Wesens. Er sah die Dinge, wie sie wirklich sind, unbe— 
einflußt durch schwächliche Empfindsamkeit. Er mag die 
ganze Skala der Gemüthsbewegungen durchgemacht haben 
und zwar mit der vollen Wucht seiner Persönlichkeit („ich 
habe nicht schlafen können, ich habe die ganze Nacht ge— 
haßt“, sagte er mir eines Morgens) — ich glaube aber 
nicht, daß er jemals sentimental oder pathetisch geworden 
ist. Wie jede Phrase war ihm jede Pose verhaßt und 
Posiren würde er es genannt haben, hätte er eine weich— 
liche oder künstlich forcirte Stimmung zur Schau getragen. 
Daß die Politik eine Kunst und keine Wissenschaft 
sei, — dieses Wort von ihm ist zu einem geflügelten ge— 
worden. Er selbst fühlte sich als ein Virtuose der Staats- 
kunst, der sein Instrument souverän beherrscht. Sein Ge- 
sichtskreis ging weit über die Grenzen seines engeren Vater- 
landes hinaus und er war völlig frei von dem Chauvi- 
nismus der vulgären Vaterlandsliebe; er nannte sich selbst 
wiederholt einen Europäer. Alle Dinge, Personen wie 
Ereignisse beurtheilte er zunächst nach ihrem Verhältniß 
zu seiner Staatskunst; sonstige persönliche rein menschliche 
Beziehungen traten daneben zurück. Als ich ihm, der 
einsam im Sachsenwalde promenirte, die Nachricht von
	        
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