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Ich durchblätterte nun auch meinerseits noch einmal
das Staats-Handbuch, aber nichts Geeignetes wollte sich
finden lassen.
So kam der Abend heran. Es war Donnerstags, wo
sich unser Klub in der Potsdamerstraße versammelte, dem
Julian Schmidt, Herman Grimm, Heinrich von Treitschke
und andere interessante Persönlichkeiten angehörten. Auch
die Gebrüder Hobrecht, der Oberbürgermeister und der
Stadtbaurath waren ständige Besucher. Ich ging gegen
Mitternacht dorthin, verdrießlich und abgespannt. Der
Baurath James Hobrecht, neben dem ich Platz nahm, be-
gann ein Gespräch über die gegenwärtige Minister-Krisis,
an dem ich nur widerwillig theilnahm, so daß er mich
fragte, warum ich heute so pensiv sei. Ich erwiderte, daß
ich Jemanden vergeblich gesucht hätte, und fragte dann,
um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, ob
sein Bruder Arthur, der Oberbürgermeister, heute Abend
noch erscheinen werde. Dabei schoß mir wie ein erleuch-
tender Blitz der Gedanke durch den Kopf, ob Arthur
Hobrecht nicht etwa der Gesuchte, d. h. der neue Finanz-
minister, sein könne und seltsamerweise erschien in diesem
Augenblicke ein Kanzleidiener, der mich zum Fürsten berief.
Während ich zum Reichskanzler-Palais fuhr, überlegte ich
mir die Sache. Als ich in das Schlafzimmer des Fürsten trat,
der sich bereits zu entkleiden begonnen hatte, empfing mich
dieser mit den Worten: „So, nun hat Stephan auch abgelehnt!
Pötter, wat makt wi nu?).“ Ich erwiderte, daß ich einen
*) Diese Aeußerung bezog sich auf eine Anekdote, die der Fürst
gern erzählte: Ein Großherzog von Mecklenburg, ich weiß nicht, ob