Full text: Persönliche Erinnerungen an den Fürsten Bismarck.

50 
  
immer einer besonderen Anmeldung bedurft, die mich als 
Kommissar des Bundesraths legitimirte. 
Meine amtliche Stellung war nun in der angenehm— 
sten Weise ausgestaltet und befestigt. Wenn trotzdem und 
trotz mancher glänzenden Perspektiven, die sich zu eröffnen 
schienen, schon im nächsten Jahre in mir der Entschluß 
reifte, sie aufzugeben, so spielten dabei verschiedene Be— 
weggründe mit. Zunächst die Rücksicht auf meine Ge— 
sundheit. Ich hatte allmählich die Entdeckung gemacht, 
daß ich auch Nerven besitze, was ich bis dahin nicht ge— 
wußt hatte. Mein vielgerühmtes Schlaftalent war mir 
abhanden gekommen. In früheren Jahren hatte ich häufig 
die Heiterkeit meiner Kollegen erregt, wenn ich auf meinem 
Sitze im Abgeordnetenhause den Schlaf des Gerechten schlief. 
Jetzt war das Alles vorbei. Nur mit Hülfe künstlicher 
Mittel konnte ich einige Stunden Nachtruhe finden. 
Dann wurde ich mehr und mehr meiner Familie 
entfremdet. Ich war eigentlich nur Gast im eignen Hause. 
Meine Kinder bekam ich oft wochenlang nicht zu sehen. 
Als gewissenhafter Statistiker kann ich konstatiren, daß ich 
im Jahre 1879 ein hundert und drei und dreißig Mal 
beim Fürsten Bismarck zu Mittag gespeist habe und wäh— 
rend der Zeit vom Januar bis Ende Juli nur zwei Abende 
in meiner Familie gewesen bin. Und davon verdankte ich 
den einen Abend nur dem Scherze meiner Frau, die mir, 
während ich im Bismarck'schen Hause dinirte, eine gedruckte, 
förmliche Einladungskarte schickte, durch welche sie den 
Herrn Geheimen Ober-Regierungs-Rath u. s. w. auf acht
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.