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geben würde. Der Reichskanzler ging bei ſeinem Widerſtand von
der entgegengeſetzten Wahrſcheinlichkeitsberechnung aus. Wer hatte
nun richtiger gerechnet, wenn es ſchon bei früheren Anläſſen als
bei den Attentaten zur Entſcheidung gekommen wäre? Welcher
Verlaß war auf die deutſchen Wähler für die Sache des Libera¬
lismus im Widerſtreit mit dem Kanzler? Wir wollen hier die
Frage nicht eingehender beantworten, indem wir die tieferen und
dauernden Eigenschaften des Volkscharakters einer näheren Prüfung
unterziehen. Es genügt hier auszusprechen, daß schwerlich Je¬
mand sich zu der Behauptung versteigen wird, die Energie des
Liberalismus habe sich in den letzten drei Jahren größer erwiesen,
als die liberalen Politiker von ihm erwarteten. Nicht sowohl
die freisinnige als überhaupt die politische Regsamkeit und Schwung¬
kraft des deutschen Volkes ist in den letzten Jahren hinter sehr
bescheidenen Erwartungen zurückgeblieben. Es hat sich den Glauben
und die Freude an sich selbst nehmen lassen und Jedem, der es
an sich irre machen wollte, Gehör geliehen.
In deutlicher Erkenntniß oder mindestens im richtigen Gefühl
dieses Standes der Dinge haben bei den bekannten Anlässen die Na¬
tionalliberalen sich gehütet, den Bogen allzustraff anzuspannen. Sie
hätten einen verhängnißvollen Irrthum begangen, wenn sie in
optimistischer Hoffnung auf bessere Zeiten die Erledigung der wich¬
tigen Gesetzgebungsarbeiten, welche die eigentliche Aufgabe der ersten
norddeutschen und deutschen Reichstagssessionen bildeten, auf un¬
bestimmte Frist hinausschoben. Es galt vielmehr, den in den ersten
Jahren auch von oben wehenden liberalen Hauch zu positiven Ge¬
setzen zu verwerthen. Wer die deutsche Nation und ihren Lenker
einigermaßen richtig beurtheilte, durfte dabei dem Morgen nichts
überlassen, was er dem Heute abgewinnen konnte, denn dem Mor¬
gen war entschieden zu mißtrauen. Wer doch konnte den Fürsten
Bismarck für einen Mann von liberalen Neigungen halten?) Das
Höchste, worauf sich rechnen ließ, war seine Neutralität, und auch
diese war nur gesichert, so lange nicht die Versuchung an ihn
herantrat, sich mit einer anderen Richtung einzulassen. Und was
die Nation selbst angeht, so begnügen wir uns, die Thatsachen,