104 England und die deutsche Flotte
Kosten des deutschen Steuerzahlers betrieb.“ Die niedrige Gesinnung,
die, abgesehen von der Unwahrheit, aus solchen leider nicht vereinzelt
stehenden Preßäußerungen spricht, enthebt England der Mühe, seiner-
seits den Beweis für seinen Edelmut und die deutsche Schurkerei
anzutreten. In Wirklichkeit ist es so gewesen, daß der von Haldane
gemachte Vorschlag in letzter Linie die Beseitigung des deutschen Flotten-
gesetzes enthielt, und ich erfahre erst aus der „Frankfurter Zeitung“
die wohl nicht zutreffende Ansicht, daß auch der Kanzler diese Be-
seitigung des Flottengesetzes „als hinreichend für Deutschlands berechtigte
Interessen erkannt habe. Da muß ich denn wohl der Ressortbock sein,
der Haldanes ehrliche Versöhnung zunichte machte.
Tut Deutschland seiner selbst wegen wirklich gut daran, alle die
beschimpfen zu lassen, die sich einst um seine Sicherheit und seinen
Schutz bemühten?
Von ihrem Standpunkt aus ist die Frankfurter Zeitung freilich
berechtigt zu fragen, weshalb denn der Kanzler, wenn mein Tun so
verhängnisvoll war, nicht die Folgerung zog, mich gehen zu lassen
(ich habe es ihm 1911/12 sehr leicht gemacht und mehrfach dem
Kaiser meinen Abschied angeboten) oder aber selbst die verantwortliche
Gegenzeichming abzulehnen?
Meinerseits stelle ich eine Frage an diejenigen Deutschen, welche mut-
maßen, daß die Engländer 1914 nicht zur Aufrechterhaltung des fest-
ländischen Gleichgewichts oder aus alter Handelseifersucht, sondern
um der deutschen Flottenpolitik willen in den Krieg eingetreten sind.
Meint man, daß die Novelle von 1912 oder die Ausführung des
Flottengesetzes den Kriegsentschluß zur Reife gebracht hat?
Die erste Möglichkeit erledigt sich wohl von selbst. Wenn England
vor 1912 grundsäslich den Frieden vorzog, so wird es durch die zwei
Schiffe der Novelle doch wohl nicht zum Krieg umgestimmt worden
sein. Oder würde England vielleicht die im Juli 1914 entstandene Lage
nicht zum Krieg benützt, Belgien und Frankreich nicht verteidigt haben,
wenn ich statt eines Novellenschiffes alle drei weggegeben und eine diplo-
matische Niederlage in Kauf genommen hätte? War aber England ohne-
hin zum Krieg entschlossen, dann könnte man mir viel eher einen Vorwurf
daraus machen, daß ich überhaupt etwas weggab und mich so in gewisser
Weise zum Mitschuldigen derjenigen unserer Minister gemacht habe,
welche in der Tat in den Jahren vor dem Weltkrieg unsere Rüstungen