Zweites Kapitel
Hauptfragen des Krieges
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England hoffte unser Land durch die russische Dampfwalze zu
erdrücken, während die französisch-belgisch-britische Armee der unsrigen
Einhalt geböte, und beabsichtigte den Krieg dann zu stoppen, wenn
die Gefahr eines zu großen russischen Sieges entstünde. Der Feind
nahm an, daß Italiens Abfall unsere Berechnungen umwerfen und
unsere zahlenmäßige Überlegenheit im Westen während der entscheiden-
den Wochen beseitigen würde.
Die wohlbegründeten feindlichen Siegeshoffnungen wurden getäuscht
durch die Art, wie unser Militärapparat seinen Dienst tat, und die
Schnelligkeit, womit wir Belgien einnahmen. Die russischen Massen
erfüllten, was man von ihnen erwarten konnte. Aber sie hatten das
Unglück, bald auf große Feldherren zu stoßen, welche, vom Schlachten-
glück begünstigt, die besten Eigenschaften unseres Volks in Waffen
durch großartige Manöver zur Geltung brachten.
Der Schlieffensche Plan, Frankreich über Belgien anzugreifen, war
an sich wohl geeignet, die erste Lebensgefahr von Deutschland ab-
zuwenden. Ich vermag nicht zu beurteilen, ob der mir bis zum
Kriegsausbruch unbekannt gebliebene Plan bei der zunehmenden
kriegstechnischen Entwicklung zum Grabenkampf angesichts unserer
politischen Weltlage und den gegenseitigen Stärkeverhältnissen un-
bedingt richtig war. Jedenfalls hätte er von solchen ausgeführt
werden müssen, welche das Genie besaßen, eine so riesenhafte
Operation bei den naturgemäß eintretenden Zwischenfällen voll zu
beherrschen. Für die ungeheure Umgehungsbewegung konnte unsere
Heeresleitung den Sicherheitskoeffizienten gar nicht reichlich genug be-
messen; sie hat ihn aber zu knapp genommen. Das Heer war im