Unsere Waffen gegen England 147
Kap Gris Nez aus London selbst zu beschießen, was sich bei längerer
Kriegsdauer bedeutend wirksamer hätte gestalten lassen, als unsere
1918 ausgeführte Beschießung von Paris. Ich bin, wie früher bemerkt,
stets gegen alle militärisch belanglosen Kriegsmaßnahmen aufgetreten,
zu denen gelegentliche Fliegerangriffe auf Städte des Hinterlandes
gehörten. Eine tatsächlich wirksame, konzentrierte Beschießung Londons
dagegen mit allen Mitteln vom Lande und aus der Luft wäre gerecht-
fertigt gewesen als eines der Mittel, um den unmenschlichen Krieg
abzukürzen, besonders da England in der härtesten Weise das Völker-
recht nur so weit gelten ließ, als es in seinem Interesse lag.
Das zweite Mittel, um England zu bedrängen, war die Seeschlacht.
Die Entente hat uns durch die britischen Linienschiffe besiegt, welche
die Hungerblockade ermöglichten und deren Prestige alle Völker der
Welt vor den englischen Wagen spannte. Linienschiffe in erster Linie
konnten uns retten. Von allen Vorwürfen, welche gegen mich erhoben
worden sind, hat mich nur der einzige ernsthaft beschäftigt, daß ich
nicht noch mehr Schlachtschiffe gebaut hätte. Indes hat der Leser
schon aus einem früheren Abschnitt dieses Buches eine Vorstellung
davon empfangen, daß die Schlacht für unseren Flottenbestand nicht
aussichtslos gewesen wäre. Über die inneren Gründe, welche die Marine
damals gelähmt haben, werde ich im folgenden Kapitel zu sprechen
haben. Hier muß ich nur den Hauptgrund vorweg nehmen, das
Versagen unserer politischen Leitung.
Der Kanzler vertrat, wie dargelegt, die Auffassung, England dürfte
nicht gereizt werden, wenn wir zu einer Verständigung mit ihm kommen
wollten; auch müßte die Flotte bei Kriegsende möglichst unversehrt
vorhanden sein, um bei den Friedensverhandlungen ein Gewicht aus-
zuüben. Den letzteren Grund habe ich ebensowenig jemals begreifen
können wie den ersten.
Es war nach meiner Auffassung der helle Widersinn, die Flotte in
Watte zu verpacken. Solche Zurückhaltung hatte Sinn für England,
weil dessen Flotte dadurch ihren Zweck, die Meere zu beherrschen,
erfüllte. Für Deutschland aber, dessen Ziel es sein mußte, das Meer
sich frei zu halten, war der Grundsatz unsinnig. Ferner durften
wir den Krieg nicht zum Erschöpfungskrieg ausarten lassen und
mußten versuchen, die Sache kurz zu machen. Wie klug es die
Engländer angefangen haben müssen, die Entschlußkraft maß-
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