158 Hauptfragen des Krieges
wollen, dieser Krieg endet doch entweder mit unserer vollen Selbst-
behauptung oder unserer Zerschmetterung.
Indem aber Deutsche selbst einen solchen Standpunkt bekämpften,
lähmten sie unsere Kräfte von innen heraus. Nach den ersten Kriegs-
jahren wußten die Feinde, daß sich Deutschland innerlich an diesem
Gegensatz zerrieb. Dies gab ihnen größere Zuversicht als ihre äußere
Übermacht. Scheidemann glaubte durch lauten und heftigen Verzicht
auf den Gedanken des Siegs die „Genossen“ in Feindesland zum
gleichen Vorgehen zu ermutigen. Er bemerkte nicht, daß er gerade
umgekehrt wirkte und durch sein Verhalten den Chauvinisten in Fein-
desland Oberwasser über die Friedensfreunde verschaffte. Und was für
andere, wirkliche Annexionisten gab es doch bei den Feinden, ver-
glichen mit dem, was in Deutschland so bezeichnet wurde.
Ein Bekenntnis zu positiven Kriegszielen durch die Regierung und
die Mehrheitsparteien hätte tatsächlich Verhandlungen über einen Ver-
ständigungsfrieden mit England nicht verhindert, sondern gerade ge-
fördert. Der Deutsche allein verkennt, daß Siegesziele, deren Wünsch-
barkeit der eigenen Bevölkerung begreiflich gemacht wird, geschäfts-
mäßig die Forderungen der Gegner draußen herabstimmen.
Es gibt eben im Daseinskampf eines Volkes nur eine Stimmung,
welche seine Waffen unüberwindlich macht. Sie liegt in den Worten:
„Du mußt steigen oder sinken,
Du mußt herrschen und gewinnen
Oder dienen und verlieren,
Leiden oder triumphieren,
Hammer oder Amboß sein.“
Die Massen wußten infolge des Verhaltens von Regierung und
Parteiführern gar nicht, daß die geschmähten Annexionisten nichts
weiter vertraten als diese Wahrheit. Sie sahen in ihnen Ungeheuer
und verurteilten sie, ohne sie zu kennen.
Der Abgeordnete Cohn lehrte sie:
„Der Krieg geht für die Reichen,
Der Arme zahlt mit Leichen!“
Das Wort „Kriegsverlängerer“ wurde zum Schimpfwort. Gambetta
war von seinem Volke in den Himmel gehoben worden, weil er ihm